Abschied aus deinem Schatten
gefaltet und zurück in die Fächer und Schubladen gelegt hatte, schmerzten ihr Arme und Schultern. Es war Viertel vor fünf, und sie war fix und fertig.
Rowena ließ sämtliche Lichter brennen und ging über den Flur in ihr altes Mädchenzimmer. Dort legte sie sich auf das unbezogene Bett und kuschelte sich eng zusammengerollt in die Tagesdecke.
Als sie später abrupt aus dem Schlaf hochschreckte, wusste sie zunächst nicht, wo sie sich befand, erinnerte sich aber dann nach einer Weile. Sofort kehrte die Angst wieder. Rowena schlug die schwere Decke zurück und setzte sich auf. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es fast elf war. Rasch eilte sie zum Telefon, um im Restaurant anzurufen. Ian war am Apparat. Erneut fragte sie sich, ob er wohl für den Einbruch verantwortlich war.
„Es gibt ein Problem”, teilte sie ihm mit. „Ich werde wohl leider heute nicht kommen können.”
„Hoffentlich nichts Ernstes!”
„Nein, nein. Es hat sich nur ganz unerwartet etwas ergeben.”
„Ach so.”
„Kommen Sie ohne mich zurecht?”
„Ja, sicher.” Nach kurzer Pause sagte er: „Ach, äh, Rowena …”
„Ja?”
„Ich … äh … ich wolle mich für mein Benehmen von gestern Abend entschuldigen. Ich hatte wohl etwas viel getrunken.”
„Nicht der Rede wert, Ian. Zerbrechen Sie sich nicht mehr den Kopf darüber.”
„Hab ziemlich über die Stränge geschlagen”, bemerkte er.
„Halb so wild”, versicherte sie. Mittlerweile kam es ihr selbst absurd vor, ihn zu verdächtigen. „Es war eine gelungene Feier. Ich habe mich bestens amüsiert. Wir sehen uns dann morgen, okay?”
„Natürlich. Bis morgen dann.”
Während sie eine rasche Dusche nahm, sah sie ständig nervös zur Badezimmertür, beinahe überzeugt davon, dass dort jemand jeden Moment auftauchen und sich auf sie stürzen könne. Danach zog sie ihre alten Sachen wieder an, ging nach unten und machte Kaffee. Aus dem Branchentelefonbuch suchte sie sich die Firmen heraus, die Einbruchsicherungsanlagen anboten, nahm zuerst die mit der größten Werbeanzeige und rief an. Man versprach ihr, noch am gleichen Tag bis vierzehn Uhr einen Außendienstmitarbeiter vorbeizuschicken. Schließlich bekam sie auch Frank Reilly, ihren Bauunternehmer, ans Telefon. Er werde sofort kommen, bot er ihr an. „Ich höre schon, Rowena, das Ganze hat Sie ziemlich mitgenommen. Also, ich sorge dafür, dass heute noch eine neue Tür montiert wird.” Allmählich atmete sie wieder normal. Auch der Schüttelfrost ließ nach.
Jetzt, bei Tageslicht, wagte sie sich auf ihre eigene Kontrollrunde durch das Haus. Nach wie vor konnte sie nicht feststellen, was fehlte – falls überhaupt etwas abhanden gekommen war. Vielleicht hatte der Einbrecher ja gehört, wie Marks Wagen in die Einfahrt bog, hatte daraus geschlossen, sie selbst komme unerwartet nach Hause, und war mit leeren Händen verschwunden. Sie nahm sich vor, Mark zu fragen, um welche Zeit er heimgekommen war.
Frank Reilly, der Bauunternehmer, stellte den Motor seines Wagens gar nicht erst ab und maß rasch die Tür aus. „Bin in einigen Stunden mit ’nem Mitarbeiter zurück”, sagte er, während er in seinen Kombi stieg. „Dann setzen wir die neue Tür ein.”
Gegen halb drei unterschrieb Rowena einen Kaufvertrag für das beste Sicherheitssystem, das die Firma zu bieten hatte. Zuvor war vereinbart worden, dass die Anlage gleich am nächsten Morgen installiert werden sollte. Rowena gab dem Verkäufer einen Scheck über eine ansehnliche Summe mit. „So schnell und mühelos hab ich noch nie was verkauft”, gestand der Mann, als er sich verabschiedete. „Aber ich versichere Ihnen, das System ist erstklassig. Da können Sie in Zukunft ruhig schlafen.”
„Wenn’s nur so einfach wäre”, entgegnete sie resigniert.
Seine Miene verriet, dass er die Bemerkung nicht verstand. Rowena bedankte sich und brachte ihn zur Tür.
Während Frank Reilly und sein Monteur draußen auf dem Rasen letzte Hand an die neue Vollholztür legten, machte sich Rowena an die Zubereitung ihres Mittagessens, einen Auflauf aus Steak und Pilzen. Sie reinigte zuerst die Pilze, schnitt sie zurecht und zerteilte dann das Steak und die Zwiebeln. Falls jemand, so ihre Überlegung, tatsächlich hinter Claudias anrüchigen Videos her war, dann konnte es gut sein, dass er einen neuen Einbruchsversuch unternehmen würde. Gäbe es doch bloß eine Möglichkeit, aller Welt mitzuteilen, dass es die verdammten Dinger gar nicht mehr gab! Rowena stellte sich
Weitere Kostenlose Bücher