Abschied nehmen
„Habt Ihr mich etwa hier aus Eurem Versteck beobachtet?“, neckte er sie amüsiert und ein schelmisches Grinsen lag auf seinen Lippen. „Das schickt sich aber für eine Dame wie Euch nicht. Was wäre nur, wenn Euer Vater davon erfahren würde?“, fügte er noch in gespielter Entrüstung hinzu, während Kate noch immer an den Baum gelehnt dastand.
Ihre Lage war ihr äußerst unangenehm, doch sie verstand es dies unter ihrer Empörung über Williams, wie sie fand, unglaublich freche Äußerung zu verbergen.
„Was denkt Ihr Euch eigentlich …“, fuhr sie zu ihm herum und ihre Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie William wie Gott ihn geschaffen hatte, vor sich stehen sah. Das Blut schoss ihr in die Wangen und sie schlug die Hände vor die Augen. „Himmel! Zieht Euch etwas an!“, rief sie.
„Ach, tut nicht so entrüstet“, spottete William, während er sich in aller Ruhe entfernte, um seine Kleider zu holen. „Hier gibt es nichts, das Ihr bis eben nicht bereits eingehend betrachtet hättet“, stichelte er weiter.
Auch in der letzten Woche hatte er immer wieder Angriffe ihrerseits über sich ergehen lassen müssen, wenn sie sich begegnet waren und nun war es ein Vergnügen für William, sie mal in der Defensive zu sehen.
Kate hingegen gefiel ihre Rolle im Augenblick ganz und gar nicht.
„Es ist einfach nicht zu glauben, wie Ihr Euch benehmt!“, rief sie ihm hinterher und schüttelte vor Wut kochend den Kopf. Ihre Meinung über ihn bestätigte sich immer wieder, er war dermaßen anmaßend und unverschämt, dass sie einfach ständig wütend auf ihn sein musste. „Und wagt es ja nicht irgendwelche Gerüchte hierüber in die Welt zu setzen, sonst lernt Ihr mich kennen!“ Sie ballte die Fäuste, darum bemüht ihre Wut im Zaum zu halten.
„Oh, ich dachte dies hätte ich schon! Tja, wie man sich täuschen kann, ich hätte nicht gedacht, dass Ihr noch boshafter und bissiger sein könnt!“, konterte William nun mit einer ernsten Miene, als er angezogen auf sie zuging und Bitterkeit klang aus seinen Worten. „Aber macht Euch keine Sorgen, denn nichts liegt mir ferner, als Euren Ruf zu beschmutzen. Dies schafft Ihr mit Eurem böswilligen Verhalten auch recht gut selbst“, fügte er im Vorbeigehen hinzu.
„Ich verhalte mich weder böswillig noch bissig“, presste Kate hervor, den Impuls unterdrückend, sich laut schreiend an seinen Hals zu werfen und ihn so lange zu würgen, bis er unfähig wäre, sie jemals wieder so unfair und hochmütig zu behandeln. Doch sie beherrschte sich und sprach stattdessen weiter: „Ihr seid der abscheulichste Mensch, der mir jemals begegnet ist und ich gehe mit Euch um, wie Ihr es verdient. Ihr seid es, der mich stets provoziert und wenn Ihr auch mal etwas anderes im Kopf hättet, als Euch selbst, dann würdet Ihr es auch merken!“
Zorn loderte in William auf. Er hatte ihr nie etwas zuleide getan! Sie war von Beginn an so feindselig ihm gegenüber und nun meinte sie, er hätte all das verschuldet? Dieses Weib war doch offensichtlich nicht mehr bei Verstand! Vielleicht sollte er sie mal bei den Schultern packen und sie solange schütteln, bis das Durcheinander in ihrem Kopf wieder in Ordnung wäre und sie endlich klar sehen und erkennen würde, dass sie es war, die immer und immer wieder so aggressiv war. Nun schüttelte er jedoch lediglich resigniert den Kopf. Sie würden sich nie verstehen und das sollte er akzeptieren, dachte er bei sich und ging weiter.
Kate, die unfähig war, nun noch irgendetwas zu sagen, folgte ihm in die Burg, und erst als sie dort ankamen, teilte sie ihm schroff mit, er solle sich auf der Stelle zu Marcus begeben.
Er eilte durch die dunklen Gänge der Burg zu Marcus’ Gemach, in dem er bereits erwartet wurde. Er bemühte sich den Ärger mit Kate abzuschütteln, und als er ankam, hatte er ein breites Lächeln aufgesetzt.
„Billy!“, rief er erfreut, nachdem er hineingebeten wurde und umarmte seinen Freund. „Es ist so schön dich wieder zu sehen“, sprach er und klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken.
Schließlich löste er sich aus der Umarmung, fasste Billy bei den Schultern und hielt ihn auf Armeslänge von sich entfernt. Er sah seinen Freund an und zwei traurige Augen begegneten den seinen und schlagartig wurde ihm bewusst, dass sein erster Eindruck ihn nicht getäuscht hatte.
Weitere Kostenlose Bücher