Abschied nehmen
Zähne zusammen und atmete tief durch. Als er sie wieder öffnete und auf sie hinab sah, legte sich ein tieftrauriger Ausdruck in seine Augen und er zog die Stirn kraus.
Wie hatte er sich so lange etwas vormachen können, dachte er und spürte ein ohnmächtiges Lachen in seinem Innern aufsteigen. Schon lange vor der hinter ihm liegenden Reise hatte er gewusst, dass er es ihr sagen musste, denn es war ihm einfach unmöglich weiterhin mit dieser Lüge zu leben. Und doch hatte er es immer wieder vor sich hergeschoben.
Er war häufig in Versuchung gewesen, doch im letzten Augenblick hatte er immer wieder eine Ausrede gefunden. Er hatte Marcus das Versprechen gegeben, das war richtig und als Mann von Ehre wollte er es nicht brechen und doch hatte er nie wieder versucht, seinen Freund umzustimmen.
Warum, fragte er sich nun, doch er kannte die Antwort nur zu genau. Es war pure Angst, die ihn davon abhielt. Angst davor, wie sie auf sein Geständnis reagieren würde und Angst davor sie dadurch für immer zu verlieren. Zu Beginn ihrer Verbindung, als ihre Gefühle noch frisch waren, hätte er es kaum ertragen können, sie zu entbehren, doch nun war es einfach nicht mehr vorstellbar.
Sie war alles, was er hatte und alles, was er wollte. Sie war ein Teil von ihm und sie missen zu müssen, wäre wie, wenn ihm das Herz aus dem Leib gerissen würde. Ohne sie war er nichts und ohne sie wollte er nicht sein. Doch wie verhext, war es eben diese Liebe, die es ihm unerträglich machte, sie weiterhin zu belügen. Er konnte nur hoffen, dass die ihre stark genug sein würde über das, was er war, hinwegzusehen und ihm die Lüge zu verzeihen.
Viele Stunden lang lag er da, malte sich die ihm bevorstehende Situation in allen Varianten aus und sein Magen krampfte sich zusammen. Es war durchaus möglich, dass er sie nun zum letzten Mal im Arm halten durfte, dachte er und sein Herz brach bei dem Gedanken.
Doch sein Entschluss stand fest und daran gab es nichts mehr zu rütteln. So wachte er bis tief in die Nacht, seine vielleicht letzten gemeinsamen Stunden mit ihr, so gut es ging, in sich aufsaugend, bis er schließlich für die wenigen ihm verbliebenen Stunden in einen unruhigen Schlaf fiel.
Als er am Morgen noch vor Kate erwachte, hatte sein Kummer keinesfalls abgenommen, und als sie die Augen öffnete, versuchte er diesen hinter einem Lächeln zu verbergen.
„Guten Morgen, mein Herz“, begrüßte er sie, und auch wenn sein Mund lächelte, entdeckte Kate in seinen Augen kein Anzeichen von Freude. Sie blickten so unglaublich traurig drein, dass es ihr das Herz brach und sie blickte ihn sorgenvoll an.
Was ist in der Nacht nur geschehen, fragte sie sich, denn gestern hatte sie diesen Kummer an ihm noch nicht bemerkt. Er war genauso glücklich über ihr Wiedersehen gewesen, wie sie auch, doch nun schien diese Freude wie ausgelöscht.
„Guten Morgen, mein Liebster“, erwiderte sie sanft, blickte ihn forschend an und ihr war, als sei er unter ihren Worten zusammengezuckt. Was war denn nur vorgefallen, fragte sie sich erneut, erschrocken über seine Reaktion. Sie hatte doch nichts Schlimmes zu ihm gesagt, warum taten diese Worte ihm so weh, rätselte sie. Und auch wenn sie in den letzten Wochen immer geduldig darauf gewartet hatte, dass er von sich aus auf sie zukäme und ihr von seinen Sorgen erzählen würde, war es ihr mit einem Mal unmöglich, noch länger darauf zu warten.
„William, ist alles in Ordnung?“, fragte sie mit einem bangen Ausdruck in den Augen und William schnappte nach Luft. Es war ihm wohl doch nicht so recht gelungen, sie zu täuschen.
„Habe ich irgendetwas falsch gemacht?“, setzte sie nach, als er nicht antwortete. „Wenn ich dir wehgetan habe, war das sicher nicht meine Absicht und es tut mir leid. Aber William, sprich mit mir darüber, ich ertrage es nicht länger, dich immer wieder so traurig zu sehen“, flehte sie mit einem liebevollen und traurigen Gesichtsausdruck zugleich und William staunte über ihre Worte.
Er hatte bislang immer angenommen, seinen Kummer stets gut vor ihr verborgen zu haben und war nie auf die Idee gekommen, dass sie davon wusste und es sie ebenso belastete wie ihn. Immerhin hatte sie ihn nie zuvor danach gefragt oder sich anmerken lassen, dass sie davon wusste. Doch wahrscheinlich hatte sie immer darauf gewartet, dass er sich ihr anvertraute
Weitere Kostenlose Bücher