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Abschied nehmen

Abschied nehmen

Titel: Abschied nehmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Miskull
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überflüssig, sich unauffällig zu verhalten, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen.
         In den letzten Stunden hatte er ohnehin festgestellt, dass dieser Zug längst abgefahren war. Seitdem sie gestern hier angekommen waren, waren sie so unauffällig wie ein Haufen bunter Hunde, und wenn sie schon so viel Aufmerksamkeit erregten, konnten sie genauso gut noch eine Schippe drauflegen. So betrat er schließlich das Gefängnisgebäude und verlangte lautstark und mit einer solchen Autorität und Beharrlichkeit danach, endlich zu William gelassen zu werden, dass man schließlich wenn auch äußerst widerwillig seinem Ersuchen nachgab.
        
         Der Gang durch die dunklen Flure des Gefängnisses erwies sich als weitaus schwerer, als Marcus erwartet hatte. Er war sich so sicher gewesen in seiner ersten schlaflosen Nacht vor drei Tagen, seinen Glauben an Williams Rettung aufgegeben zu haben, doch je weiter der Wachsoldat ihn nun führte, desto deutlicher wurde ihm, wie sehr er sich getäuscht hatte.
         Er hatte gedacht, dass er Williams Schicksal inzwischen als unabwendbar ansah, hatte immer nur müde genickt, wenn seine Männer über ihre letzten Chancen spekuliert hatten. Doch nun, als er diese vor seinen Augen schwinden sah, seine letzte Hoffnung in sich dahinscheiden spürte, wurde ihm klar, wie groß sie in Wahrheit noch gewesen war. Er hatte vielleicht sogar noch stärker daran festgehalten als seine Männer und sich scheinbar aus reinem Selbstschutz vor weiteren Enttäuschungen das Gegenteil eingeredet.
         Doch jede schützende Fassade stürzte nun ein, als ihm überdeutlich wurde, dass sie niemals an den unzähligen vom Messer bis zur Pistole bewaffneten Rotröcken, die Wentworth in den engen Gängen postiert hatte, vorbei kommen würden. William saß wieder in einer Falle und niemals würden sie ihn hier lebend heraus bekommen.
         Diese Erkenntnis traf ihn mit einer solchen Heftigkeit, dass es ihm plötzlich schwer fiel, sich aufrecht zu halten, geschweige denn zu gehen. Sein Atem beschleunigte sich, der schmale Gang engte ihn plötzlich ein und ein solch niederschmetterndes Gefühl breitete sich in ihm aus, dass er glaubte, er müsse auf der Stelle schreiend wild um sich schlagen und sich auf die Art Luft machen.
         Doch das tat er nicht.
         Er schrie nicht, er schlug nicht um sich und auch seine Beine versagten ihm nicht den Dienst. Er hatte zwar nicht mehr das Gefühl noch Herr über seinen Körper zu sein, doch dies tat der Tatsache, dass er wie eh und je einen Fuß vor den anderen setzte, keinen Abbruch. Auch äußerlich wirkte er vollkommen gefasst, zumindest fiel sowohl dem ihn führenden Wachsoldaten als auch den beiden, die vor Williams Zelle Stellung bezogen hatten, nichts an ihm auf.  
         Sie durchsuchten ihn gründlich von Kopf bis Fuß, und nachdem sie ihm alle Waffen abgenommen hatten, die er mit sich führte, raunte ihm einer von ihnen zu, er habe eine halbe Stunde. Dann öffnete der andere die Zelle, er duckte sich durch den Eingang und blieb hinter der geschlossenen Tür stehen.
         In dem fensterlosen Loch war es beinahe vollkommen dunkel. Das einzige Licht drang durch das kleine Gitter in der Tür hinein und es stank nach faulem Stroh und menschlichen Exkrementen. Doch Marcus nahm all das kaum wahr, er fühlte sich noch immer vollkommen betäubt, außerdem nahm die Suche nach William nun seine ganze Aufmerksamkeit ein. Dabei stand er da, die Augen weit aufgerissen und versuchte die Gestalt seines Freundes in dem Dämmerlicht auszumachen.
         Der hingegen hatte Marcus sofort erkannt und eine wohlige Wärme breitete sich bei dessen Anblick in seinem Innern aus. Noch nie war er so froh gewesen, einen Menschen wiederzusehen. Doch erst als er sich sicher war, dass seine Stimme nicht zittern würde, gab er sich zu erkennen.  
         „Hallo, Marcus“, riss er seinen Freund aus seiner Erstarrung und ohne zu zögern, eilte dieser in die Ecke, aus der Williams Stimme gekommen war.
         Er fand ihn, an der Wand lehnend, auf dem eiskalten Boden gebettet vor und ging augenblicklich neben ihm auf die Knie. Ein riesiger Kloß steckte in seinem Hals, der ihn am Sprechen hinderte, so ergriff er lediglich Williams angebotene Hand.
         Er drückte sie so fest, dass es schmerzte, doch William sagte nichts, zu tröstlich war der Händedruck seines Freundes.
         „Tja, mit einer tollkühnen Befreiungsaktion

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