Abschied nehmen
Minuten später betraten sie das Gasthaus, in dem sie untergebracht waren.
Sie hatten eben die Tür hinter sich geschlossen, als Hugh die Treppe hinunter kam. Scheinbar war er auf dem Weg zu ihnen gewesen, denn als er sie entdeckte, blieb er unvermittelt stehen. Über den Raum hinweg warf er ihnen einen Blick zu und ohne etwas zu sagen, kehrte er um und sie folgten ihm die Treppe hinauf.
Marcus hatte bereits gestern das Zimmer neben ihrem für seine Tochter beim Wirt reservieren lassen, doch Hugh führte sie nun zu dem größeren Raum, den Marcus mit seinen Männern bewohnte. Noch eh sie sie erreichten, öffnete sich die Tür von innen und sein erster Blick fiel gleich auf Lilidh.
Gott sei Dank war sie gekommen, dachte er und schloss seine ihm entgegen eilende Frau erleichtert in die Arme. Mit ihr an seiner Seite würde ihm die Begegnung mit Kate, der er mit einem mulmigen Gefühl entgegen sah, vielleicht leichter fallen. Vielleicht würde er so die Vorwürfe, dass er hätte etwas unternehmen müssen, er William hätte vor dem, was ihn nun unweigerlich erwartete, bewahren müssen, die er von ihr erwartete, einfacher ertragen können.
Er würde es jedenfalls gleich herausfinden, dachte er, küsste Lilidh auf den Scheitel und trennte sich schließlich von ihr. Dann begrüßte er kurz Malcolm und Andrew, und nachdem er ihnen für ihre guten Dienste gedankt hatte, wandte er sich seiner Tochter zu.
Sie saß mit dem Rücken zu ihm auf einem Hocker, streckte dem brennenden Feuer ihre Hände entgegen und Marcus ging langsamen Schrittes auf sie zu. Er hatte den Raum bis zur Hälfte durchquert, da drehte sie sich zu ihm herum.
Ihre Wangen waren gerötet von der winterlichen Kälte, der sie in den letzten Tagen ausgesetzt gewesen war, doch der Rest ihres Gesichts wirkte blass und müde. Unter ihren Augen waren dunkle Schatten, die ihm zeigten, dass auch sie in den letzten Tagen nicht viel geschlafen hatte, doch in ihnen lag nicht der Vorwurf, den er so gefürchtet hatte. Nicht ein Funken war davon zu sehen und Marcus war kurz davor, erleichtert aufzuatmen, doch dann entdeckte er etwas anderes darin, das ihn mit unerwarteter Heftigkeit traf.
Es war ein stummes, verzweifeltes Flehen um einen wenn auch noch so winzigen Hoffnungsschimmer. Er konnte genau sehen, wie verzweifelt ihre unruhigen Augen in seinem Gesicht danach forschten. Doch den konnte er ihr nicht geben. Es hatte keinen Sinn solche Hoffnungen zu schüren. So sah er sie stattdessen niedergeschmettert an, schüttelte kaum merklich den Kopf und zerstörte den letzten Funken ihrer Zuversicht, so wie seiner tags zuvor zerstört worden war.
Kate hatte das Gefühl, als würde ihr Herz in dem Augenblick brechen und während sich ihre Augen mit Tränen füllten, legte sie ihre Hände auf die bebenden Lippen.
„Bitte nicht“, flüsterte sie, während sie zusammengesunken dasaß und in einem fort den Kopf schüttelte. „Bitte.“
Marcus hörte nicht, was sie sagte und dies war sicher auch besser so, ihr Anblick war für ihn schon unerträglich genug. Ein dicker Kloß steckte plötzlich in seinem Hals und hinderte ihn am Sprechen, doch er wusste ohnehin nicht, was er hätte sagen können. Kein Wort der Welt könnte das Leid seiner Tochter nun lindern und so unterließ er es, danach zu suchen. Stattdessen streckte er ihr einfach nur die Arme entgegen und schloss sie um sie, während Kate bittere Tränen an seiner Brust vergoss.
Eine Stunde später zog Kate sich zurück.
Ihr war nicht nach Reden zumute, außerdem brannten ihre Augen und sie war plötzlich furchtbar müde. So ging sie in das Zimmer nebenan, legte sich hin und schlief sofort ein. Doch ihr Schlaf brachte ihr nicht die Erholung, die sie sich erhofft hatte. Stattdessen quälten sie wirre Träume und so war sie nicht böse, als sie, nachdem sich alle zur Ruhe gebettet hatten und Stille über dem Gasthaus lag, erwachte und keinen Schlaf mehr fand.
Sie rollte sich auf die Seite, schlang die Arme um ihren Bauch und eingehüllt von der Stille betete sie um die Kraft, die sie brauchte, um die nächsten Tage überstehen zu können.
Auch William fand in dieser Nacht ungewöhnlich wenig Schlaf. Die dunkle, stinkende Zelle mit ihrer Kälte und Feuchtigkeit hatte auch in den vorherigen Nächten nicht die besten Bedingungen für einen erholsamen Schlaf geboten, doch heute
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