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Abschied nehmen

Abschied nehmen

Titel: Abschied nehmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Miskull
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hatte ihn schon, nachdem Marcus ihn verlassen hatte, eine innere Unruhe befallen, die es ihm unmöglich gemacht hatte, auch nur ein Auge zu zutun.
         Stunde um Stunde war vergangen, doch die Müdigkeit, die ihm das Warten auf Marcus’ nächsten Besuch zumindest ein wenig verkürzte, hatte sich nicht eingestellt. Eine quälende Grübelstimmung hatte ihm die Zeit noch zusätzlich lang werden lassen und so war er an diesem Tag besonders froh, als sich am Nachmittag die Tür seiner Zelle öffnete und seinen Freund ankündigte.
         Ein erleichtertes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als die Tür langsam aufschwang, doch als er die Silhouette seines Besuchs, die eindeutig nicht Marcus gehörte, in dem Lichtkegel ausmachte, erstarb sein Lächeln augenblicklich. Er schnappte vernehmlich nach Luft, rappelte sich hastig auf und unfähig etwas zu sagen, beobachtete er lediglich, wie sie unsicheren Schrittes den Raum durchmaß. Als sie schließlich in seine Reichweite kam, streckte er die Hand nach ihr aus und sie ergriff sie hastig. Dann zog er sie zu sich hinunter und sie kniete sich an seiner Rechten nieder. Einige Sekunden betrachtete er sie noch immer wie erstarrt, erst dann fand er seine Stimme wieder.
         „Kate!“, stieß er plötzlich hervor, als sei er mit einem Mal aus einem Traum erwacht. Und als müsse er sich vergewissern, dass sie wirklich kein Traum, sondern aus Fleisch und Blut war, umfasste er mit zitternden Händen ihr Gesicht. „Du bist hier“, flüsterte er atemlos und sein rastloser Blick hastete an ihr rauf und runter.
         Kate erwiderte nichts. Sie nickte lediglich.
         „Ich hatte so gehofft, dass du kommen würdest! Ich habe gedacht, ich würde dich nie wieder sehen“, fuhr William fort und die Angst, die er deshalb ausgestanden hatte, zeigte sich für einen Augenblick in seinem Gesicht.
         Seit seiner Verhaftung hatte er ununterbrochen darum gebetet, sie noch einmal sehen zu dürfen. Doch die Tatsache, dass in den letzten Tagen so gut wie alles in seinem Leben schief gelaufen war, hatte ihn seine Hoffnungen nicht allzu hoch schrauben lassen. Er hatte sich vorsichtshalber bereits dafür gewappnet, dass es nicht dazu kommen würde, umso glücklicher war er nun, dass sie doch hier war.
         Auch Kate war mehr als froh, ihn zu sehen, sie wusste nicht, ob sie es ertragen hätte, wenn sie zu spät gekommen wäre, doch im Augenblick verblasste ihre Freude und machte anderen Gefühlen Platz. Sie bebte am ganzen Körper, bemühte sich gar nicht erst ihre Tränen zurückzuhalten, sie wusste, sie würde nicht dagegen ankommen. Dafür war seine Nähe einfach zu aufwühlend, der Anblick seines geschundenen Körpers, an dem selbst in dem wenigen Licht unzählige Wunden und blaue Flecken überdeutlich sichtbar wurden, zu furchtbar und der Klang seiner Stimme und seine zärtlichen Berührungen einfach übermächtig.
         Auch Williams Hochgefühl verflog nun, als er sah, wie sie die Stirn in Falten legte, schmerzlich ihr Gesicht verzog und sich Tränen aus ihren Augen lösten. Er atmete schwer durch, schluckte und im nächsten Moment riss er sie an sich und schloss sie heftig in seine Arme.
         Eine ganze Weile wiegte er sie stumm an seiner Brust, küsste, streichelte sie und drückte sie in stiller Verzweiflung so fest er konnte an sich. Irgendwann verlor auch er den Kampf um seine Fassung, und während er ihren geliebten, weichen Körper zum letzten Mal an seinem spürte, wischte er sich immer wieder über die Augen.
         „Scht, mein Herz. Weine nicht, es wird alles gut“, versuchte er mit erstickter Stimme, sowohl sich als auch sie zu trösten, doch seine Bemühungen waren vergebens.
         Kate schluchzte nur noch heftiger und schüttelte an seiner Brust heftig den Kopf.     
         „Nein, William, nichts wird gut“, weinte sie bitterlich. „Wie soll es das auch, wenn du nicht mehr bei mir bist?“
         Sie löste sich von ihm, um ihm ins Gesicht sehen zu können und das Leid in ihren Augen schnürte William die Kehle zu.
         „Warum lässt du mich allein, William?“, rief sie. „Warum verdammt noch mal tust du das?“, setzte sie nach, die Hände zu Fäusten geballt, doch William ließ sich von ihren Vorwürfen nicht abschrecken. Er wusste, dass ihr Groll nicht ihm, sondern dem Schicksal galt, ihm ging es da nicht anders. So zog er sie wieder in seine Arme und Kate schmiegte sich erneut an ihn.
        

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