Abschied nehmen
Flanken und zwei hintendrein, während William an Händen und Füßen gefesselt in ihrer Mitte ging. Die Fußfesseln erlaubten ihm nur kleine Schritte, sein gebrochenes Bein ließ ihn stark hinken, wodurch er nur langsam vorankam. Dies gab den Leuten mehr Zeit, ihn zu begaffen, zu beschimpfen und Dinge nach ihm zu werfen, doch William schien sie gar nicht wahrzunehmen. Sein blasses und von den Strapazen der letzten Tage gezeichnetes Gesicht blieb ungerührt, seine Augen trüb auf den Boden vor sich gerichtet und vollkommen auf diese nahezu unmögliche Aufgabe konzentriert, diesen Weg auf seinen eigenen zwei Füßen hinter sich zu bringen.
Es war bereits ein kleines Wunder, dass er bis hierhergekommen war, so sehr hatte ihn, das noch immer in ihm wütende Fieber ausgezerrt. Für jeden Schritt musste er seine gesamten Kraftreserven aufbieten, sodass das frische Hemd, das Kate ihm gebracht hatte, bereits trotz der Kälte wie eine zweite Haut an ihm klebte.
Doch er gab nicht auf.
Nicht als er auf dem Weg hierher hinfiel, wovon seine aufgeschürften Knie zeugten und auch nicht, als ihn ein Stein an der Stirn traf, eine blutende Platzwunde hinterließ und ihn beinahe das Bewusstsein verlieren ließ. Sein Wille Wentworth erhobenen Hauptes entgegen zu treten, ihm nicht die Genugtuung zu geben, ihn gebrochen zu haben, war stärker.
Doch Wentworth war nicht der Einzige, dem er etwas beweisen wollte. Nein, auch für Kate und seine anwesenden Freunde wollte er stark sein. Sie sollten ihn nicht als ein bedauernswertes Häufchen Elend in Erinnerung behalten, denn das war er nicht!
So setzte er voller Entschlossenheit einen Fuß vor den anderen, unterdrückte die Schreie, die ihm beim Auftreten auf sein gebrochenes Bein auf den Lippen lagen und während der Schweiß sein Gesicht herunter rann und sich mit dem Blut aus seiner Wunde vermischte, traf sein Anblick die kleine Gruppe, in deren Sicht er eben getreten war, mit ungeahnter Wucht.
Kate brach augenblicklich in Tränen aus. In den letzten Tagen hatte sie es irgendwie immer geschafft ihre Fassung zu wahren, doch nun bei seinem Anblick konnte sie das nicht mehr. Sie schlug die Hände vor den Mund und schüttelte immer wieder voller Verzweiflung den Kopf, während Angus seinen Griff um ihre Schultern verstärkte. Er umklammerte sie so unbarmherzig, dass sie blaue Flecken davontragen würde, doch weder er noch Kate merkten etwas davon. Bis auf William nahmen sie ohnehin nichts um sich herum wahr und dies ging den anderen nicht anders.
Auch sie blickten mit grimmigen Mienen und geballten Fäusten ihrem Freund entgegen, nur Marcus war das nicht möglich. Bei Williams Anblick sog er hörbar die Luft ein und schloss augenblicklich die Augen. Nur so konnte er die Tränen zurückhalten, die nun unter seinen Lidern brannten. Doch sobald er die Augen geschlossen hatte, begann er fieberhaft daran zu arbeiten, seine Beherrschung wieder zu erlangen. William sollte nicht sehen, dass er sich vor seinem Anblick abwenden musste. Er wollte ihm zeigen, dass er bei ihm war, dass er ihm beistand und ihn nicht auf diese Weise allein lassen. So wand er alle Kraft auf, um seine Tränen zurückzudrängen und als er sich sicher war, seine Fassung wiedererlangt zu haben, öffnete er seine Augen und sah über Jamies Kopf hinweg William an.
Der junge Engländer stand derweil noch immer ungerührt da. Als William in Sicht gekommen war, hatte er die Augen vor Entsetzen aufgerissen und ein sterbenselendes „Oh, mein Gott!“ war über seine Lippen gekommen. Nun stand er mit blassem Gesicht und aufeinandergepressten Lippen da und starrte seinen näherkommenden Freund mit blutendem Herzen an. Oh, William, womit hast du das nur verdient, dachte er voller Kummer und erst Amys immer lauter werdendes Weinen riss ihn aus seiner Erstarrung.
„Scht, mein Engel“, versuchte er sie zu beruhigen und umfasste den kleinen bebenden Körper noch fester. „Da kommt dein Bruder, William“, fügte er noch hinzu und seine Worte zeigten die gewünschte Wirkung, denn Amy hörte auf zu weinen.
Sie erinnerte sich an William, dafür hatte Jamie gesorgt und sie freute sich ihren Bruder, den sie sehr vermisst hatte, wiederzusehen.
„William?“, wiederholte sie nun mit leuchtenden Augen.
„Ja und wenn er gleich hier vorbeikommt, musst du ihn ganz fest drücken und küssen, ja?“, antwortete er und
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