Abschied nehmen
nichts und sie sind in die Stadt hinein. Dann bin ich sofort hierher, durch den Wald, das geht schneller!“
William hockte vor dem Jungen, der im Eingang stand, und hielt ihn an beiden Schultern fest. Das mit Sommersprossen übersäte kleine Gesicht war tiefrot und der Junge atmete schwer, einerseits vor Aufregung und andererseits, weil er gerannt war wie der Teufel.
Zum letzten Mal hatte er ihn vor fünf Tagen an den Stadttoren Birminghams gesehen. Dort war er auf seinem Heimweg stehen geblieben und hatte den Bettlerjungen angeheuert. Er hatte ihm bereits Geld gegeben und ihm noch mehr versprochen, wenn er ihn rechtzeitig vor Soldaten, die nach ihm fragten oder sonst jemandem, der zu ihm wollte, warnen würde. Er wusste, dass er sich darauf verlassen konnte, dass der Junge sein Bestes geben und stets wachsam sein würde. Er hatte ihm nämlich eine Summe versprochen, mit der er ihn selbst und seine gesamte Familie ein ganzes Jahr würde ernähren können.
„Sie werden bald hier sein!“ William war aufgestanden und wandte sich an die beiden Männer, die hinter ihm standen und aufmerksam zugehört hatten. Dann drehte er sich wieder zu dem Jungen um.
„Ich danke dir, Timmy. Hier ist deine Entlohnung.“
Er drückte ihm mehrere Goldmünzen in die kleine Hand. Timmy öffnete diese und starrte sie mit großen Augen an. Es war weitaus mehr, als sie für den Auftrag ausgemacht hatten und auch viel mehr, als er jemals auf einmal gesehen hatte.
„Und nun lauf zurück und lass dich nicht erwischen!“
„Gott sei mit Euch, mein Herr!“, erwiderte der Junge mit strahlenden Augen, drehte sich um und rannte davon.
„Jetzt ist es wohl so weit“, wandte sich William mit einem äußerst nervösen Lächeln an seinen Vater und seinen Freund und die Anspannung ließ sein Herz so fest schlagen, dass er das Gefühl hatte, es würde gleich seine Brust sprengen. Er presste seine Kiefer aufeinander und ballte seine Hände zu Fäusten, sodass seine Knöchel ganz weiß wurden. Jeder einzelne Muskel seines Körpers war steinhart und seine Gedanken wechselten dabei von Sekunde zu Sekunde. In der einen entsann er sich der letzten Tage und in der anderen dachte er an seine Flucht und die damit verbundenen Gefahren, die ihn bereits in der Nacht in Form von Albträumen geplagt hatten. Sein Blick haftete auf dem Inneren des Hauses und auf den Menschen, die vor ihm standen und er versuchte, das Bild in sein Gedächtnis einzubrennen.
Auch Jamie und George standen wie erstarrt da. Sie fixierten William mit weit aufgerissenen Augen und es kam kein Wort über ihre Lippen. Alle drei hörten lediglich noch das Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren, gegen das Amy mit ihrer Stimme nicht ankam.
Erst als sie ihrem Vater verängstigt die Hand drückte, riss sie erst ihn und dann auch Jamie und William aus ihrer Abwesenheit.
„Wir sollten lieber zum Stall!“ Auch wenn es in ihm tobte, war Williams Stimme leise und ruhig.
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und eilte zum Stall. Dort steuerte er direkt auf Jimmys Box zu, der auf Jamies guten Rat hin, bereits gesattelt und abreisefertig war. William legte den Mantel an, denn es war bitterkalt. Dann überprüfte er noch oberflächlich, ob er alles hatte, was jedoch eher dazu diente, den Aufbruch noch ein paar wenige Sekunden hinauszuzögern.
„Ich bin kein Freund von Abschieden, also lasst es uns hinter uns bringen“, wandte er sich schließlich an seine Lieben.
„Jamie, du warst mir der beste Freund, den man haben kann und ich werde dich niemals vergessen.“
Die beiden Männer fielen einander in die Arme und William schloss die Augen und drückte seinen Freund so fest er konnte. Sie versuchten beide den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken und taten alles, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen.
„Ich wünsche dir eine wunderbare Hochzeit und eine gute Ehe, die mit vielen Kindern beschenkt wird. Ich bin mir sicher, dass du und Claudia miteinander glücklich sein werdet. Ich hätte es gerne miterlebt.“
William hatte alle paar Worte, um Fassung ringend, unterbrechen müssen. Er hatte sich in der Nacht, als er wach gelegen hatte, eine kleine Abschiedsrede für jeden von ihnen überlegt, doch nun hatte die Hektik des Augenblicks alles fortgespült. Er hoffte lediglich, dass er ihnen trotzdem alles sagen
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