Abschied nehmen
schweres Leben haben wird, hättest auch du nicht verhindern können. Wir wussten alle, dass du nicht dafür warst und es ist dein Verdienst, dass es überhaupt so lange gut gegangen ist. Wenn jemand die Schuld trägt, dann bin es ich und die anderen. Wir waren diejenigen, die William in seinem Vorhaben gestärkt haben.“
Marcus schüttelte den Kopf.
„Ihr habt keine Schuld. Ich aber bin euer Anführer, ich hätte es unterbinden müssen.“
Der traurige Blick seines Freundes brach Robert das Herz. Wie sollte er ihm dieses Hirngespinst nur wieder ausreden. Er wusste, dass es nicht möglich war, denn all die Worte, die über seine Lippen kamen, würden ihn nicht von seinen Schuldgefühlen abbringen. Niemand konnte dies außer ihm selbst und trotzdem unternahm Robert noch einen letzten Versuch.
„Das ist wahr, du bist unser Anführer und unser Freund. Du hättest es uns verbieten können und du weißt, dass unsere Treue und Liebe zu dir es uns nicht erlaubt hätte, sich über deine Anweisung hinwegzusetzen. Doch du kennst William am besten von uns allen. Du kennst die Schuld, die er auf seinen Schultern zu tragen meinte und die er mit diesem Plan hatte wieder ausgleichen wollen.“ Robert meinte in Marcus’ Augen einen Funken Einsicht erkennen zu können und so hörte er nicht auf, sondern wurde umso energischer. „Du weißt genau, wie sehr diese Nacht an ihm nagte und du weißt genauso gut wie ich, dass er es auch ohne uns irgendwie und irgendwann bewerkstelligt hätte und damit wahrscheinlich schon vor einiger Zeit am Galgen geendet hätte.
Quäl dich nicht länger, denn du hast alles in deiner Macht stehende getan, um das zu verhindern.“
Marcus senkte erneut den Kopf.
„William wird es schwer genug haben, wenn er aufwacht und merkt, dass sein Leben von Grund auf anders ist. Er wird unsere Hilfe und Freundschaft brauchen, und wenn er merkt, dass du dir diese Vorwürfe machst, wird es noch härter für ihn. Wir müssen sein Leben so angenehm wie nur möglich gestalten“, erklärte Robert schließlich in einem sanfteren Ton und für eine Weile schwiegen die beiden Männer. Sie saßen nur nebeneinander und gingen ihren Gedanken nach.
„Danke“, unterbrach Marcus irgendwann die Stille.
Robert wusste, dass er sich nicht dafür bedankte, dass Robert ihm die Schuldgefühle genommen hatte, denn das, das wusste er, hatte er nicht geschafft. Doch er dankte seinem Freund dafür, dass dieser sich seine Sorgen angehört hatte und versucht hatte, ihm zu helfen.
„Ich denke, ich gehe mal wieder hinauf.“ Marcus erhob sich langsam.
„Ich werde später zu dir stoßen“, erwiderte Robert.
Er hatte Marcus in den letzten Tagen sehr häufig beim Pflegen ihres Freundes geholfen. Die anderen eingeweihten Männer, denen außer Marcus, Robert und Lilidh als Einzigen der Zutritt zu dem Schlafgemach gestattet war, sahen zwischendurch immer wieder rein, um sich zu erkundigen, wie es William erging. Doch die meiste Zeit verbrachten Robert und Marcus dort.
An diesem Tag war es bereits nach Mittag, als Robert wieder den Raum betrat. Marcus hatte erst wenige Augenblicke, bevor er eintrat, die Fenster wieder verschlossen und somit war es trotz des Feuers, das im Kamin brannte, ziemlich kalt. Marcus hatte William die dicke Decke bis unter die Nase gezogen und er selbst war mit seinem Stuhl näher ans Feuer herangerückt.
„Du kommst spät“, sagte Marcus mit einem fragenden Blick.
Robert zog sich einen Stuhl zu seinem Freund heran, nahm darauf Platz und schon bald umhüllte ihn die wohlige Wärme des Feuers.
„Ich habe leider keine allzu guten Neuigkeiten.“
Er belästigte ihn in dieser Lage nicht gern damit aber Marcus’ Tochter hatte ihn gebeten ihrem Vater, den Brief zu zeigen, den sie am Morgen empfangen hatte.
„Zunächst einmal lässt Kate dich herzlich grüßen.“
Marcus schloss für einen Augenblick die Augen und atmete tief durch angesichts seines schlechten Gewissens seiner Tochter gegenüber. Seitdem William hier angekommen war, hatte sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Sie war nämlich genauso wenig eingeweiht wie alle anderen, denn je weniger Menschen davon wussten, desto besser war es.
„Außerdem soll ich auch Genesungswünsche für den jungen Maccrowd übermitteln“, sagte er
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