Abschied nehmen
seine Stirn in Falten. William verlor aufs Neue das Bewusstsein und die beiden Männer wechselten einen besorgten Blick. Dann hoben sie ihn auf, um ihn in das Gemach zu tragen, das eiligst für ihn vorbereitet wurde und in dem Lilidh, Marcus Frau, bereits auf ihn wartete.
Die beiden Männer hielten den schlaffen Körper mit einem festen Griff zwischen sich und flehten Gott darum an, William am Leben zu lassen.
5. Kapitel
Die Sonne, die von dem wolkenlosen Himmel durch das Fenster in sein Gesicht schien, ließ Marcus erwachen. Er hatte zum Schlafen auf dem Boden Platz genommen, wobei er die Beine angewinkelt und seinen Kopf und Arme aufs Bett gestützt hatte.
Es war bereits der vierte Morgen, an dem er in dieser unbequemen Lage erwachte und mit jedem Mal wurden seine Glieder steifer und unbeweglicher. Mühevoll begann er sich zu erheben und dabei schmerzten seine Muskeln und Gelenke bei jeder Bewegung. Es dauerte eine Weile, bis er sich zu voller Größe aufgerichtet und seine Versteifung sich endgültig gelöst hatte.
Er sah zu William hinunter und die Sorge überschattete wieder sein Gesicht. Seitdem sie ihn hier hinaufgebracht hatten, war er nicht mehr aufgewacht. Marcus wusste dies so genau, weil er beinahe rund um die Uhr an seinem Bett verbracht hatte und in den wenigen Minuten, in denen er sich entfernt hatte, war jemand anderes bei William geblieben.
Nun umkreiste er das Bett und legte seinem Freund die Hand auf die Stirn. Ein erleichterter Seufzer entfuhr ihm, als er feststellte, dass das Fieber endlich gesunken war.
William hatte drei Tage und drei Nächte mit Lilidhs Hilfe dagegen angekämpft. Sie, Marcus und Robert hatten ihm Wadenwickel und kalte Umschläge für seinen Kopf gemacht und ihm verschiedene Kräutermischungen eingeflößt, von denen er die Hälfte wieder ausgespuckt hatte. In der zweiten Nacht hatte Lilidh ihn mit Säften aus Johannisbeeren behandelt. Er hatte dadurch derart geschwitzt, dass Marcus ihn hatte fünf Mal umziehen müssen. Doch auch das hatte das Fieber nicht zu senken vermocht. Sie alle hatten die Befürchtung gehegt, dass William trotz der Tatsache, dass er jung und kräftig war, den Kampf verlieren würde, doch nun hatte der Allmächtige sich endlich erbarmt und diesem Jungen geholfen.
Es war seit Tagen endlich eine gute Nachricht, doch Marcus war nicht so naiv zu denken, dass William nun vollkommen außer Gefahr war. Er hatte schon viele Männer sterben sehen und er wusste, wie der Tod mit den Gefühlen der Menschen spielte. Er wiegte sie oft in Sicherheit und ließ sie denken, es ginge bergauf und dann schlug er doch so grausam und plötzlich zu, dass es einem die Sinne raubte. Er betrachtete die Neuigkeit somit mit dem angemessenen Maß an Freude.
Nach einer Weile ging er wieder auf die andere Seite des Bettes und nahm auf dem hölzernen Stuhl Platz. In seine Gedanken versunken, saß er da, als plötzlich die Tür mit einem leisen Knarren aufschwang und Lilidh den Raum betrat. Sie bedachte ihren Mann mit einem zärtlichen Lächeln und hauchte einen Begrüßungskuss auf seinen Kopf.
Marcus legte seine Hand auf ihre Hüfte und zog sie auf seinen Schoss. Dann legte er seinen Kopf Trost suchend an ihre Brust und seufzte.
„Wie geht es ihm?“, fragte sie leise, den Blick auf ihren Patienten gerichtet und fragte sich gleich darauf, weshalb sie nicht in normaler Lautstärke sprach. Williams Schlaf war so fest, dass ihn selbst eine Horde Rinder nicht wecken würde, selbst wenn ihr Weg mitten durch seine Bettstatt führen würde.
„Das Fieber ist gesunken“, erwiderte Marcus nicht viel lauter als seine Frau.
„Das ist doch eine gute Nachricht“, versuchte Lilidh ihren Gatten etwas aufzumuntern. „Es wird alles gut werden, Marcus, er wird wieder gesund“, sprach sie beruhigend auf ihn ein und streichelte dabei seinen Kopf.
Marcus erwiderte jedoch nichts, sondern nickte nur.
Nach einer Weile löste sich Lilidh von ihrem Mann und ging hinüber zu William. Als sie die Decke zurückschlug, verstärkte sich der ihr vertraute Geruch nach Kräutern, der ohnehin den Raum erfüllte. Behutsam öffnete sie das Hemd, das sie ihm angelegt hatten, dann nahm sie den Verband ab und entfernte die Salbe, mit der sie die Wunde bedeckt hatte. Sie betastete das Fleisch um die Verletzung herum und stellte fest, dass es sich gesund
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