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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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gegenüber. Ich trug die schäbige, von der Frau eines Bekannten auf Zivil zurechtgeschneiderte Uniform, die ich mir, während die Amerikaner sich Traunstein näherten, noch rasch in der Kleiderkammer der Badenweiler-Kaserne organisiert hatte. Die prächtige Uniform, die Herr Brusdeilins trug, kannte ich nicht; amerikanisch war sie auf keinen Fall. Wahrscheinlich war es die Uniform irgendeiner jener zahlreichen Militär-Missionen, die die Stadt nach flüchtigen polnischen, serbischen oder rumänischen Landsleuten durchkämmten, die keine Lust verspürten, in die von den Russen besetzten Länder zurückzukehren.
    »Hallo, Menschenskind, Brusdeilins! Mann, wie kommst du nach Traunstein?«
    Er blickte, einsneunzig hoch, über mich hinweg. Sein Begleiter, nicht ganz so prächtig uniformiert wie er, trat zwischen uns, ein Brocken von einem Kerl und sichtbar bereit, mir die Faust ins Gesicht zu pflanzen. Herr Brusdeilins, starr über mich hinwegblickend, sagte zwei kurze Sätze auf litauisch, die sein Begleiter wortgetreu ins Deutsche übersetzte: »Der Herr Major kennt Sie nicht und wünscht von deutschen Schweinen nicht belästigt zu werden!« - Hoch im Boggen spriezen Gwällen Wosserwoggen... Armer, gemarterter Schiller... Da bekam ich nun die Quittung für unser Gelächter.

    Da ich mich nun schon einmal so weit von Bartenstein und ins Futurum verirrt habe, will ich noch eine andere Geschichte erzählen, die mir bald nach der Begegnung mit Herrn Brusdeilins einen echten und viel schlimmeren Schock versetzte. Wie soeben erwähnt, befanden sich in
    Traunstein eine Menge Ausländer. Viele von ihnen waren den Konzentrationslagern entronnen, andere kamen aus Kriegsgefangenenlagern, vor allem Polen und Jugoslawen, denen es nicht schlecht ging, da sie den Schwarzen Markt beherrschten. Es hielten sich aber auch viele Ungarn in Traunstein auf, die auf unserer Seite gekämpft hatten; unter ihnen eine große Zahl Akademiker, Ärzte, Juristen, Volkswirte und Lehrer, die zu den Amerikanern gute Beziehungen angeknüpft hatten und mit Hilfe der amerikanischen Freunde Visa für die Staaten zu bekommen hofften. Einer von ihnen, ein blonder Hüne, hatte für Ungarn bei den Olympischen Spielen in Berlin im Speerwerfen einen beachtlichen Platz erkämpft. Nun saß ich eines Tages beim Härtl in der >Traube< mit einigen Bekannten beim Mittagstisch über meinem Stammgericht, einem Kartoffelpampf mit einem Löffel Bratensoße darüber, als ich bemerkte oder von einem meiner Tischnachbarn darauf aufmerksam gemacht wurde, daß mich jemand von der Theke her unaufhörlich und intensiv anstarre. Ein gutangezogener und gutaussehender Mann von südländischem Typ. Unsere Blicke trafen sich, er schien mich zu kennen, aber ich konnte ihn nicht unterbringen und war sicher, ihn noch nie gesehen zu haben. Er nippte an einem kleinen Bier und fixierte mich beim Trinken und Niedersetzen des Glases unentwegt. Die Sache wurde mir allmählich lästig, aber in dem Augenblick, in dem ich aufstehen wollte, um ihn zu fragen, was sein merkwürdiges Verhalten zu bedeuten habe, kam er langsam auf mich zu und sagte, den Blick starr in meine Augen gerichtet: »Guten Tag, Herr Obersturmbannführer Berger! Welche Freude, Sie gesund wiederzusehen! Ich darf doch hoffen, daß es Ihnen gut geht?« Er sprach ein ausgezeichnetes Deutsch mit einem kaum wahrnehmbaren Akzent. Ich sagte ihm, daß er sich irren müsse, denn ich sei nie im Leben Obersturmbannführer gewesen, trage auch nicht den von ihm genannten Namen und hätte es in meiner militärischen Laufbahn genau bis zum Obergefreiten gebracht. Er blieb stur.
    »Natürlich kennen Sie mich nicht. Und selbstverständlich haben Sie auch meinen Namen vergessen - Nikolaus Jokay...«
    »Entschuldigen Sie, Herr Jokay, zwischen mir und dem von Ihnen erwähnten Obersturmbannführer scheint eine Ähnlichkeit zu bestehen, aber ich versichere Ihnen, daß ich der Mann, den Sie vor sich zu haben glauben, wirklich nicht bin!«
    »Dann will ich Ihrem Gedächtnis nachhelfen, Herr Obersturmbannführer: Budapest, 25. November 1944! Sagt Ihnen dieses Datum wirklich nichts? Gar nichts?« »Es sagt mir wirklich nichts!« antwortete ich und verlor allmählich die Geduld. »Und wenn Sie es ganz genau wissen wollen, so habe ich Budapest im Jahre 1926 zum ersten Mal besucht und seitdem nie wiedergesehen. Genügt Ihnen das?«
    Er verzog das Gesicht zu einem kleinen, aber sehr bösen Lächeln: »Nun, Herr Obersturmbannführer Berger, ich beobachte Sie

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