Abschied und Wiedersehen
Etuis einen Fünfhunderterkarton der Marke >Simba<. Vater machte das gleiche Gesicht wie vor zehn Jahren, als Onkel Walter mir das Goldstück geschenkt hatte. Und leider sollte er mit seinen Befürchtungen recht behalten. Diese fünfhundert Zigaretten waren der Anfang von jenen fünfhundert völlig vergeblichen Versuchen späterer Jahre, mir das Rauchen abzugewöhnen...
Natürlich wurde Onkel Walter von allen Seiten gefragt, wie es denn Tante Miekchen ginge und wie sie mit den Kindern die lange Internierung in Ägypten überstanden habe. Er erzählte dies und er erzählte jenes, daß sie ein wenig leidend sei und lieber daheim geblieben wäre, aber man merkte ihm an, daß ihm die Fragen lästig waren. Bis Mutter ihn stellte und zu erfahren wünschte, was nun mit Miekchen eigentlich los sei.
»Also los, Walter, red nicht länger herum! Hat es zwischen dir und Miekchen Knatsch gegeben?«
»Also schön, wenn du es ganz genau wissen willst, Karolinchen - sie ist der Kinder wegen zu Hause geblieben.« »Na hör einmal, erstens hätte sie die beiden Jungen ruhig mitbringen können, und wenn sie das nicht wollte, dann sind die Bengels doch wahrhaftig alt genug, um zwei oder drei Tage allein fertig zu werden. Und eine Marjell werdet ihr wohl auch haben. Oder nicht? Geht es mit deiner Zigarettenfabrik doch nicht so gut voran, wie du erzählt hast?« »Ach was! Der Laden läuft ausgezeichnet. Aber es sind nicht zwei, sondern drei Jungens. Und der Jüngste ist gerade zwei Jahre alt geworden...«
»Moment mal, Moment mal!« sagte Mutter verblüfft, als traue sie ihren Ohren nicht, »du hast uns doch gerade erzählt, daß du und Miekchen in verschiedenen Lagern und weit auseinander untergebracht wart. Habt ihr euch denn von Zeit zu Zeit besuchen können?«
»Wir haben uns fünf Jahre lang nicht gesehen«, knurrte Onkel Walter und nahm aus einer der Flaschen, die der Aurelius Piepus mitgebracht hatte, einen kräftigen Schluck.
»Dann ist das Kind also...« sagte Mutter mit dem letzten Atemrest.
»Vermutlich von einem englischen Lagerkommandanten. Aber so genau will ich das gar nicht wissen.«
»Armer Walter...!« seufzte Mutter tief erschüttert.
»Na, nu laß man, Lina«, sagte Onkel Walter und roch am Flaschenhals, »im Krieg sind schlimmere Sachen passiert. Da wurde nämlich viel gestorben. Und so’n bißchen neues Leben kam gelegentlich auch auf die Welt. Und wenn ich im Lager Gelegenheit gefunden hätte, etwas zum Ausgleich für das viele Sterben zu tun, na, ich weiß nicht. Leider hatte ich solch eine Gelegenheit nicht. - So - und nun wollen wir das Gespräch beenden. Was du wissen wolltest, weißt du jetzt. Vielleicht kannst du es für dich behalten, vor allem vor Mama - wenn es dir auch schwerfällt...«
Mutter hob die Schwurfinger, daß sie wie ein Grab schweigen werde. »Ich frage mich nur«, seufzte sie, »wie das zwischen euch beiden weitergehen soll?«
»Irgendwie...« murmelte Onkel Walter und überließ es Mutter, selber nach der Antwort zu suchen.
Nicht lange danach ließen sich Onkel Walter und Tante Mieke scheiden. Er nahm die Alleinschuld an der ehelichen Zerrüttung auf sich - und warnte mich in späteren Jahren eindringlich davor, den Kavalier zu spielen, falls mir je im Leben ähnliches zustoßen sollte. »Weißt du, mein Junge«, sagte er, »für die eigenen Kinder zu zahlen, die einem entfremdet werden und von denen man nichts mehr hat, ist schon bitter - aber für ’nen Kuckuck blechen zu müssen, goddam, das stößt sauer auf!«
Onkel Walter kam noch zwei- oder dreimal zu uns nach Bartenstein auf Besuch. Aus dem Memelland konnte er Mutter natürlich nicht wie früher, wenn er aus Afrika kam, Straußenfedern und goldgefaßte Löwenkrallen, und Vater elfenbeingeschnitzte Zigarrenspitzen mitbringen. Mir gegenüber blieb er spendabel, schob mir manchen Geldschein in die Tasche und nahm mich einmal zu einem Bummel nach Königsberg mit. Bei C. B. Ehlers tranken wir eine Flasche Mosel und im Blutgericht eine Flasche >Blutgericht Nr. 7 <, dort aßen wir auch Königsberger Klopse, die im Blutgericht zu den Spezialitäten gehörten, und bummelten schließlich noch auf jenem Gelände, auf das später der Kranzer Bahnhof verlegt wurde, über den Rummelplatz mit seinen Karussells und Schaubuden. Und von einer dieser Schaubuden, zu deren Attraktionen ein Annonceur in Frack und Zylinder das verehrte Publikum durch ein Megaphon heranzulocken versuchte, stürzte plötzlich ein baumlanger Neger, der dort als
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