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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Nolting
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Phenylketonurie. Diese Krankheit beruht eindeutig auf einer genetischen Abweichung und führt unter «normalen» Umweltbedingungen zu schweren geistigen Behinderungen. Aber mit einer speziellen Diät, die von früh auf eingehalten wird, ist eine nahezu gesunde Entwicklung möglich. Eine andere Umwelt in Form einer besonderen Ernährung kann also den Ausbruch dieser Krankheit verhindern. «Genetisch bedingt» bedeutet also nicht zwangsläufig: «Man kann nichts machen.»
    So wie hier ein «krankhaftes» Gen durch Umwelteinflüsse neutralisiert wird, so können umgekehrt auch «positive» Gene wirkungslos bleiben, wenn die passende Umwelt fehlt. Ein Mensch mag genetisch noch so hervorragend auf die Entwicklung hoher Intelligenz oder Musikalität vorbereitet sein – solange es an Lerngelegenheiten fehlt (an Schulen, Lesestoff, Musikinstrumenten usw.), wird von diesen verborgenen Potenzialen nichts zur Geltung kommen.
    In jüngster Zeit sorgt die sog.
Epigenetik
für Aufsehen und eröffnet ein neues Verständnis von der Art und Weise, wie Erbe und Umwelt zusammenwirken. Dazu muss man wissen, dass das «Haben» von Genen zu unterscheiden ist von der
Aktivität
der Gene. Gene sind nämlich nicht immer aktiv; sie können angeschaltet und abgeschaltet werden. Und dabei spielen die Umwelt und das Verhalten eines Menschen eine wichtige Rolle. Sie können biochemische Prozesse auslösen, die wiederum die Aktivität der Gene beeinflussen, sie also aktivieren oder lahmlegen. So ist es denkbar, dass längere Stressphasen oder psychische Traumata, die Art der Ernährung oder körperliche Bewegung die Gen-Aktivität verändern und dass die Gene auch in dem entsprechenden Zustand vererbt werden. Dieser Forschungsbereich eröffnet möglicherweise ganz neue Wege für die Prävention und Therapie körperlicher und psychischer Probleme.
    7.3 «Sie sind zusammen aufgewachsen, also in derselben Umwelt»
    Der Junge war 12 Jahre alt, als er einen der schmerzlichsten Augenblicke seiner Kindheit erlebte. Während er selber in einer Fabrik arbeiten musste, erhielt seine ältere Schwester Fanny ein Stipendium der Königlichen Musikakademie. Seine Eltern nahmen ihn zur Preisverleihung mit, und er schreibt später, wie ihm dabei die Tränen flossen: «Ich konnte es nicht ertragen, an mein eigenes Leben zu denken, das jenseits solchen ehrenvollen Wetteifers und Erfolges lag» (aus Dunn & Plomin, S.  102 ).
    Dieser Vergleich zwischen seinem eigenen Leben und dem seiner Schwester, verbunden mit der Erfahrung, dass ihm weniger elterliche Zuneigung zuteil wurde, hinterließ tiefe Spuren bei Charles Dickens und war wohl ein Grund dafür, dass er sich später in seinen Romanen so sehr für die Armen und Benachteiligten engagierte.
    Warum Geschwister (oft) so verschieden sind
    Es ist erstaunlich, nicht zuletzt für Eltern, wie unterschiedlich Geschwister sein können. Wie ist das möglich? Haben sie nicht weitgehend dieselben Erbanlagen und dieselbe Umwelt?
    Was die Erbanlagen betrifft, so haben Geschwister im Durchschnitt 50 Prozent gemeinsame und 50 Prozent unterschiedliche Genvarianten (sog. Allele). Im Einzelfall können sie von diesem 50 -Prozent-Durchschnitt abweichen und genetisch stärker oder geringer übereinstimmen. Von eineiigen Zwillingen einmal abgesehen, sind Geschwister jedenfalls in bedeutsamem Maße genetisch verschieden, und das ist einer der Gründe für ihre Unterschiede.
    Doch es kommt noch hinzu, dass auch ihre Umwelt überwiegend unterschiedlich ist. Das mag merkwürdig klingen, denn beim Stichwort «Umwelt» denkt man zunächst an gemeinsame Eltern, gemeinsame Verwandtschaft, eine gemeinsame Wohnung, einen gemeinsamen Wohnort, das gleiche Wohlstandniveau etc. und kommt so zu der Vorstellung, dass zusammen aufwachsende Geschwister selbstverständlich in der gleichen Umwelt aufwachsen.
    Nun zeigen aber die Forschungen, dass Geschwister dennoch in verschiedenen Umwelten leben und dass selbst die Einflüsse
innerhalb
der Familie eher unterschiedliche Entwicklungen von Geschwistern fördern, als sie zu nivellieren. Vor allem für sozial-emotionale Personmerkmale wie Selbstvertrauen, Ängstlichkeit, Depressivität, Impulsivität, Geselligkeit etc. sind die innerfamiliären Unterschiede von besonderem Gewicht. Wenn sich Charles Dickens mit dem erfolgreichen Kind einer Nachbarsfamilie verglichen hätte, hätte das dann eine ebenso tiefe Wirkung gehabt? Wohl kaum.
    Was sind das im EinzeInen für Umweltaspekte, die psychologisch so

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