Abschied von Eden
»Womit sie ihr Geld verdient, spielt keine Rolle. Wenn du sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen hast, ist das Vergewaltigung.«
»Ich hab’ sie zu gar nichts gezwungen. Es war eine geschäftliche Transaktion in beiderseitigem Einverständnis. Und ich hab’ sie ganz bestimmt nicht geschlagen oder aufgeschlitzt.«
»Abe«, sagte Decker, »wenn du unbedingt zu Nutten gehen mußt, dann geh zu Nutten. Aber warum, zum Teufel, hast du kein Kondom benutzt? Da sind nämlich ein paar unangenehme Viren im Umlauf, falls du das noch nicht gehört hast. Hat dir Vietnam denn noch nicht gereicht? Willst du unbedingt draufgehen?«
»Sie hatte kein AIDS.«
»Woher willst du das wissen?«
»Sie hatte so ’ne Bescheinigung von einem Labor, daß sie clean ist.«
»Abel …«
»Yeah, Bescheinigungen können gefälscht sein«, fiel ihm Abel ins Wort. »Das ist mir schon klar, Doc. Aber man glaubt eben, was man glauben möchte. Und Kondome beflügeln nicht gerade meine Phantasie.«
»Du bist ein absolutes Arschloch.«
»Erzähl mir doch was, was wir beide nicht schon wissen.«
»Wo hast du die Puppe aufgetan?« fragte Decker.
»Stolzierte den Boulevard entlang. Meine Bude ist nicht sehr weit von diesem lauschigen Ort.«
»Erzähl weiter.«
»Wir haben uns geeinigt, und sie hat mich mit zu sich genommen. Gott, was für ein Schweinestall! Da stank’s unglaublich nach Schweißfüßen und ranzigem …«
»Komm zur Sache, Abe.«
»Okay, okay. Wir haben gebumst. Sie war gut, und ich wollte mehr. Also hab’ ich für ’ne weitere Runde bezahlt.«
Seine Augen wurden zu Schlitzen, während er angestrengt versuchte, sich zu erinnern. »Ich war richtig gut drauf. So hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt, Pete. Diese Frau … ich weiß nicht … die war richtig gut. Ich hab’ für ein drittes Mal bezahlt …«
»Wo hattest du die ganze Kohle her?«
»Vom guten alten blau-weiß-roten Uncle Sam. Ich bin ein Teil der Staatsschulden. Sammy schuldet mir lebenslänglich was für mein Bein.«
Er wischte sich mit seiner Serviette die Stirn. »Außerdem verdien’ ich mir hier und da noch was mit Gelegenheitsjobs. Ich bin ziemlich anspruchslos, und Sex ist billig.«
»Okay. Erzähl weiter.«
»Nach dem dritten Mal war ich ziemlich hinüber.«
»Hattest du Drogen genommen?«
»Nein. Sie schon, aber ich nicht. Mit hinüber meinte ich müde. Ich hab’ sie gefragt, ob ich bei ihr pofen könnte, und sie war einverstanden.«
»Gegen Bezahlung.«
»Wir sind in Amerika«, sagte Abel. »Hier hat alles seinen Preis.«
»Um wieviel Uhr war das ungefähr?« fragte Decker.
»Zwischen ein und zwei Uhr morgens. Sie meinte, für sie sei der Abend eh gelaufen. Sie hätte ihren Schnitt gemacht, und ihr Macker würde zufrieden sein.«
Die Kellnerin brachte die Sandwiches.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte Decker.
Er stand auf und ging zu einem großen Waschbecken in der Nähe der Küche. Über dem Becken hing ein Messingkrug mit zwei Henkeln und eine Rolle Papiertücher. Decker nahm das Gefäß vom Haken, füllte es mit Wasser und goß sich zweimal damit über die Hände. Während er das restliche Wasser abschüttelte und sich die Hände trocknete, sprach er den Segen für die rituelle Waschung. Dann ging er zum Tisch zurück, murmelte einen weiteren Segen über dem Brot und begann, sein Roggensandwich mit Pastrami zu mampfen.
Abel starrte ihn an. »Du nimmst das aber ernst.«
Decker kaute, schluckte und trank das halbe Glas Orangensaft aus. »Meine Frau ist religiös.«
»Seid ihr verheiratet?«
»Noch nicht«, sagte Decker. »Aber ich hoffe, das wird sich bald ändern.«
»Das wär’ dann Ehe Nummer zwei? Oder mehr?«
»Nur zwei.«
»Wann hast du dich von deiner ersten Frau scheiden lassen? Wie hieß sie noch gleich? Jean … nein, Jan.«
»Yeah. Jan. Ich hab’ keine Lust, über sie zu reden.«
»Hattet ihr nicht ein Kind?«
»Haben wir immer noch. Eine Tochter …«
»Cynthia.«
Decker nickte. »Sie fängt in diesem Herbst bei der Columbia an zu studieren. Schon wegen ihr hat sich die Ehe gelohnt.«
»Dann ist sie jetzt also siebzehn? Oder achtzehn?«
»Siebzehn.«
»Ungefähr in dem Alter haben wir uns kennengelernt«, sagte Abel.
»Erschreckend«, sagte Decker.
»Verdammt erschreckend. Hab’ ich dir eigentlich jemals erzählt, daß ich geheiratet hab’?«
»Nein.«
»Hab’ ich tatsächlich. Vor etwa sieben Jahren.«
»Und?«
»Nichts. Soweit ich weiß, sind wir immer noch verheiratet. Wir leben aber
Weitere Kostenlose Bücher