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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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war’s. Weißt du, Marge, ich hab’ mich verdammt bemüht, das alles hinter mir zu lassen. Und das ist besonders schwer, weil Amerika plötzlich zu dem Schluß gekommen ist, daß wir doch nicht alle Kindermörder waren. Vietnamveteranen sind plötzlich die Lieblinge von Hollywood. Indochina ist ein Kassenschlager – all die verschwitzten Leiber, die mit nacktem Oberkörper durch den Dschungel robben. Blutsauger! Schlitzaugen! Soldaten, die durchdrehen! Die richtigen Zutaten für ein exotisches Drama. Und die Regisseure? Ehemalige Hippies, die statt VW Käfer jetzt Mercedes fahren. Plötzlich wollen sie mit uns reden, wollen nett sein. Bloß daß ich mich nur zu gut daran erinnere, wie sie mich behandelt haben, als ich zurückkam. Das wäscht sich nicht ab, Babe.«
    »Colonel Dunn wurde mal gefragt, ob er als Berater an einem Vietnamfilm mitarbeiten wollte.«
    »Und was hat dein Dad gemacht?«
    Marge wurde rot.
    »So schlimm?« fragte Decker.
    »Sagen wir’s mal so. Das Drehbuch war ziemlich lang, und Mom brauchte einen ganzen Monat kein Klopapier zu kaufen.«
    Decker brach in schallendes Gelächter aus.
    »Also, wer ist denn dieser Typ, für den du dir all die Mühe machst?« fragte Marge.
    »Er heißt Abel Atwater«, sagte Decker. »Ein einfacher Junge aus den Blue Ridge Mountains in Kentucky.« Deckers Stimme hatte einen näselnden Tonfall angenommen. »Eins von elf Kindern. Sein Vater konnte kaum lesen und schreiben, seine Mutter war absolute Analphabetin. Abel hat sich das Lesen mit Versandhauskatalogen beigebracht. Er hat uns oft aus Jux den Katalog von Sears & Roebuck aufgesagt. Heller Bursche. Der Krieg hat ihn kaputtgemacht.«
    »Viele Vergewaltiger sind intelligente Leute.«
    »Er paßt nicht ins Profil. Es macht ihm keinen Spaß, andere zu schikanieren, und er hat sich vollkommen in der Gewalt. Er ist nicht der Typ, der hingeht und Nutten zusammenschlägt.«
    Marge antwortete nicht.
    »Okay, wenn ich schonungslos ehrlich mit mir bin, meine ich, es wäre nicht völlig undenkbar, daß er ausgeflippt ist und es getan hat. Aber wir waren eine ganze Weile im Krieg zusammen. Ich hab’ nie erlebt, daß er ausgerastet ist. Abel stand in dem Ruf, immer einen kühlen Kopf zu bewahren. Jemand, den die befehlshabenden Offiziere gern als Kundschafter nahmen – als Anführer der Fußpatrouille –, weil er vorsichtig war und nicht in Panik geriet, wenn’s gefährlich wurde.«
    »Hast du jemals gesehen, wie er jemanden umgebracht hat.«
    »Man sah Rauch, man ließ einige Patronen platzen. So einfach war das. Wenn sich die Lage beruhigt hatte, ging man aufräumen und sah all die Leichen rumliegen. Die waren natürlich nicht von Vogelscheiße tot umgefallen. Man schoß, um zu töten, und man tötete. Zu deiner Frage kann ich dir nur sagen, daß ich nie gesehen hab’, wie er jemand aus Lust am Töten umgebracht hat. Und das hat’s sehr häufig gegeben!«
    Decker hielt inne, holte tief Luft und atmete sie langsam aus.
    »Aus Abel hätte was werden können, wenn ihn der Krieg nicht völlig gelähmt hätte. Eigentlich wollte er sogar Polizist werden, doch der Feind hat ihm sein Bein weggeblasen, und damit war der Traum zu Ende.«
    Er brach einen Bleistift in zwei Stücke.
    »Ich hab’ das erreicht, wovon er geträumt hat, Marge. Vielleicht fühle ich mich ja deswegen schuldig, weil Abel all diese Träume hatte und ich sie in die Wirklichkeit umgesetzt habe.«
    Als Decker die Tür öffnete, klingelte das Telefon. Er rannte zur Küchenwand, an der es hing, und nahm den Hörer ab. Ginger, seine Irish-Setter-Hündin, war ihm auf den Fersen gefolgt.
    »Bist du gerade reingekommen?« fragte Rina.
    »Yeah«, sagte Decker. »Ich hab’ noch nicht mal die Haustür zugemacht. Warte mal ’ne Sekunde.« – »Klar.«
    Er ging durchs Wohnzimmer, Ginger, die durch lautes Gebell seine Aufmerksamkeit erregen wollte, immer hinter ihm her. Das Zimmer war gemütlich und enthielt lauter Möbel, die seiner Größe entsprachen – ein dick gepolstertes Sofa, zwei Ledersessel und ein Liegesessel, ebenfalls aus Leder, der vor einem Panoramafenster stand. Die Hitze ließ das Zimmer lebendig wirken, es schien förmlich zu schwitzen. Decker beruhigte den Hund und schloß die Haustür. Dann zog er auf der Vorderseite die Gardinen auf, und die untergehende Sonne warf ein helles Viereck auf seinen Navajo-Teppich.
    Er nahm den Hörer auf, zog sich mit dem Fuß einen Küchenstuhl heran, setzte sich hin und tätschelte Gingers Kopf.
    »Jetzt hab’

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