Abschied von Eden
Decker.
»Ich hab’ doch gesagt, ich weiß nicht, wer sie ist!«
»Aber eine Nachbarin weiter unten in der Straße hat mir erzählt, daß Sie vielleicht was wüßten«, log Decker.
»Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Eine Ihrer Nachbarinnen.«
»Welche?«
»Da muß ich mal in meinen Notizen nachsehen«, sagte Decker und blätterte in seinem leeren Block herum.
»War das etwa Jane?« kam es wie aus der Pistole geschossen. »Hat Jane Ihnen erzählt, ich würde dieses Kind kennen?«
Ein anderes Kind fing an zu schreien. »Mommy, Andrea hat mich geschlagen!«
»Ich hab’ gesagt, ich komme gleich!«
Decker blinzelte und versuchte, einen deutlicheren Eindruck von Patty Bingham zu bekommen. Sie redeten nämlich immer noch durch die Kette.
»Yeah, es war Jane«, sagte Decker.
»Dann lügt Jane!«
Die Tür knallte Decker vor der Nase zu. Er glaubte schon, das Gespräch sei beendet, da hörte er, wie die Kette ausgehakt wurde. Dann ging die Tür ganz auf. Patty Bingham trug abgeschnittene Jeans und ein T-Shirt. Sie sah ganz passabel aus und hatte eine straffe Figur, wirkte aber so, als hätte sie im Leben schon einiges durchgemacht. Sie schien ein aufbrausendes Temperament zu haben, doch nachdem sie Decker kurz von oben bis unten gemustert hatte, wurde ihr Ausdruck sanfter. Sie schob eine Hüfte vor.
»Hören Sie, Sir …« Sie lachte kurz auf. »Ich weiß zwar nicht, was Jane Hickey Ihnen erzählt hat, aber ich kenne dieses Kind nicht. Und ich hab’ selber fünf Stück …«
»Fünf?«
»Nun ja, drei stammen aus der ersten Ehe meines Mannes. Sie sind den Sommer über hier zu Besuch. Was für ein Chaos! Wie war noch gleich ihr Name?«
Das Telefon klingelte.
»Soll ich drangehen, Patty?« brüllte eine weitere Stimme.
»Yeah.« Sie sah Decker an. »Ihr Name?«
Er zeigte ihr noch einmal seine Dienstmarke.
»Jane hat ’ne große Klappe«, sagte Patty. »Wissen Sie, was ich meine?«
»Aber weshalb sollte Jane behaupten, Sie kennen dieses Kind, wenn das nicht stimmt?« fragte Decker. »Bitte, Mrs. Bingham, die Kleine ist in einem Heim, und wir wissen nicht, wer ihre Eltern sind. Wenn die Eltern sie nicht wollen …«
»Oh, das bezweifle ich«, sagte Patty und wurde rot.
»Warum?« fragte Decker.
»Ich meine … , wer würde denn so ein süßes Kind nicht wollen?«
»Manche Eltern sind sehr merkwürdig.«
»Das ist wohl wahr. Möchten Sie einen Kaffee? Wir könnten ihn hinterm Haus trinken. Da ist nicht so viel Krach.«
»Nein danke, Mrs. Bingham. Sie haben also keine Ahnung, wo sie hingehört?«
»Nein.«
»Sieht sie jemandem in Ihrer Nachbarschaft ähnlich.«
»Nope. Möchten Sie wirklich nicht auf eine Tasse Kaffee reinkommen?«
»Ich fürchte, ich muß passen. Ich hab’ noch ein paar Türen abzuklappern. Sehen Sie es sich doch bitte noch mal an.«
»Das bringt nichts.«
»Mir zuliebe«, sagte Decker.
Patty warf einen flüchtigen Blick auf das Foto und schüttelte den Kopf.
»Es widerstrebt mir einfach, wenn so ein süßes kleines Kind in einem Heim ist«, sagte Decker.
»Ihre Eltern tauchen ganz bestimmt auf.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
Patty kaute am Daumennagel. »Nun ja, ist schließlich nicht mein Problem. Ich kann mich ja nicht um alles in dieser Welt kümmern.«
»Vielleicht möchten Sie das Foto behalten, nur für alle Fälle …«
»Reine Zeitverschwendung.«
»Bitte. Um es Ihren Nachbarn zu zeigen.«
Patty kaute erneut an ihrem Daumennagel. »Sie sind ein hartnäckiger Mensch.« Sie nahm das Foto, sah es kurz an und steckte es in ihre Gesäßtasche.
»Vielen Dank für Ihr Entgegenkommen, Mrs. Bingham.«
»Kein Problem. Und hören Sie nicht auf Jane. Sie hat ’ne große Klappe.«
Decker ging lächelnd fort. Im Wagen ließ er sich über Funk die Adresse von Mrs. Jane Hickey geben. Sie wohnte anderthalb Blocks weiter, in einem dieser Häuser, wo sie gestern niemanden angetroffen hatten. Heute morgen war sie draußen und sprengte in einem Strandanzug das kleine Stück Rasen vor dem Haus. Sie hatte ein Tuch um die Haare gebunden, ihr Gesicht war stark von der Sonne gebräunt.
»Mrs. Hickey?« sagte Decker. »Ich bin Sergeant Peter Decker, LAPD. Ich würde mich gern kurz mit Ihnen unterhalten.«
Jane sah auf seine Dienstmarke. »Was wollen Sie?«
»Ich hab’ eben mit einer Ihrer Nachbarinnen gesprochen, mit Patty Bingham.« Decker zog ein weiteres Foto von Baby Sally hervor. »Ich versuche, dieses kleine Mädchen zu identifizieren und seine Eltern zu finden.
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