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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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aus Nasenlöchern und Augenhöhlen.
    Decker fühlte einen leichten Schwindel und sah einen Augenblick nach unten. Als er wieder richtig atmen konnte, war Byron bereits gegangen. Erst wollte Decker hinter ihm herlaufen, um ihn an Ort und Stelle zu befragen, dann überlegte er es sich jedoch anders. Wenn er nicht bereit war, Byron richtig in die Mangel zu nehmen und seine ganze Autorität spielen zu lassen, würde dieser nichts sagen. Es schien sinnvoller, zunächst die geschwätzigen Frauen der Familie Howard auszuhorchen und zu warten, bis man den Imker mal in einem unbedachten Augenblick erwischte.
    Decker behielt den Hut auf, zog jedoch den Schleier und die dicken Handschuhe aus und stopfte sie unter sein Schulterholster. Statt dessen streifte er ein Paar dünne Plastikhandschuhe über. Dann begann die mühsame Spurensuche. Er suchte die Toten ab nach Filzpfropfen von Schrotpatronen, leeren Patronenhülsen und Spuren von anderen Waffen, die möglicherweise benutzt worden waren. Dann zog er Plastikbeutel heraus und streifte sie den Leichen über die Hände – zumindest über die, an denen die Finger noch intakt waren. Er spürte einen Aufruhr in seinem Inneren, einen Zorn, der tief in ihm kochte und brodelte. Doch das Gefühl, das ihn am meisten überwältigte, war Trauer.
    Arme, arme Katie.

14
    Oben auf dem Hügel, als der Plymouth gerade wieder ins LAPD-Territorium abtauchen wollte, wandte Decker sich zu Marge und sagte: »Willst du mir die Sache mit Crandal erzählen oder bist du immer noch zu sauer zum Reden?«
    Marge umklammerte das Lenkrad und starrte durch die Windschutzscheibe. Die späte Nachmittagssonne ließ den Asphalt immer noch glühen. Der Teer schien vor ihren Augen zu kochen, die Berge auf beiden Seiten der Straße flimmerten in der Hitze. Das war deprimierend, da die Temperatur noch mal um zehn Grad steigen würde, sobald sie unten waren. Vor zwanzig Minuten hatte Marge die Klimaanlage ausgestellt, da der Motor angefangen hatte zu kochen, als sie aus dem Sagebrush Canyon heraus aufwärts fuhren. Heißer Wind blies ihr ins Gesicht. Marge seufzte und wünschte, sie hätte sich am Morgen krank gemeldet.
    »Er hat ›kleine Lady‹ zu mir gesagt.«
    »Und das hat dich so geärgert?« fragte Decker.
    »Ich bin nicht klein, Pete.«
    »Und gewiß keine Lady.«
    Marge lachte hohl.
    »Du meine Güte«, sagte Decker. »Eine erfahrene Polizistin wie du. Das ist dir wirklich nahegegangen.«
    Marge antwortete nicht. Kurze Zeit später sagte sie: »Weißt du, was mich an Cop-Filmen ankotzt?«
    »Was denn?«
    »Dieses lockere, witzige Herumgealbere in Gegenwart von Toten. Weißt du, was für Filme ich meine?«
    Decker nickte. Marge knallte einen höheren Gang rein, weil die Straße flacher wurde. Das wildwuchernde Kanariengrasgestrüpp war dünner geworden. An seine Stelle traten Felder mit Fingerhirse und Löwenzahn. Bis in fünfhundert Meter Höhe konnte man Häuser sehen.
    »Genau das hat Crandal getan«, sagte sie. »Er hat Witze gerissen. Das paßte mir nicht.«
    »Nicht daß ich den Mann verteidigen will, Marge, aber vielleicht hat er das nur aus Selbstschutz getan.«
    »Yeah«, sagte Marge. »Ich weiß. Und vielleicht verhalte ich mich ein bißchen weinerlich. Aber es so aus der Nähe zu sehen und so grauenhaft. Ich weiß nicht, ich bin nicht gewöhnt, Mordfälle zu bearbeiten, und Crandals Haltung gefiel mir nicht.«
    »Verständlich«, sagte Decker.
    »Und wie hast du’s geschafft, sechs Jahre lang mit Leichen in deinen Träumen zu leben?«
    »Ich dachte eigentlich, ganz gut, bis Jan mich um die Scheidung bat.«
    Marge lachte, diesmal aufrichtig. »Dann frage ich dich jetzt als erfahrenen Mordermittler, was hältst du von der Sache? Eine Familienangelegenheit oder ein schiefgegangener Einbruch?«
    Decker antwortete nicht sofort. Dann sagte er: »Ich erzähl’ dir mal, was ich nicht glaube. Ich glaube nicht, daß es die Tat eines Wahnsinnigen war – daß so ’ne Art Manson-Gang die Familie niedergemetzelt und dabei ihren Spaß gehabt hat. Kein verschmiertes Blut, keine Satanssymbole. Die Morde, so schrecklich sie auch sind, sehen nach einer spontanen Tat aus. Drei auf einem Haufen, vermutlich an der Stelle ermordet, wo sie gerade standen. Luke gegen den Kühlschrank gelehnt. Weißt du, was ich besonders merkwürdig fand?«
    »Was?«
    »Die ganze verschüttete Milch, die Flaschen, die überall herumlagen. Anscheinend hat sich jemand die Zeit genommen, für Katie Flaschen vorzubereiten, jemand, der

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