Absolut WILD 3
mich wie einundzwanzig! Wir werden also am Dienstag zusammen Abend essen und uns ausführlich unterhalten. Du musst mir unbedingt von der Schule erzählen. Ich will hören, wie gut du bist und wie stolz du mich machst!«
Pavlov Valkyrie schnippte mit den Fingern. »Kara! Szene Ankleidezimmer. Garderobiere braucht dich für Kostümwechsel. Florence, Set gehört dir! Ich mache Pause jetzt.«
Als Pavlov Valkyrie das Haus verließ und die unfluffige Florence die Arbeit wieder aufnahm, gab Mrs Morton Joe einen sehr lauten Schmatzer auf die Wange, der ihn anscheinend überhaupt nicht berührte. »Bis Dienstag, Baby«, sagte sie. »Ich freue mich wahnsinnig darauf!«
»Bis Dienstag, Mama«, sagte Joe, aber da rauschte sie bereits davon.
Ich war etwas überrascht. Heute war Freitag, und ich hatte mir überlegt, dass ich noch vier ganze Tage auf meine Probeaufnahme am Dienstag warten musste. Und wenn mir das schon wie eine halbe Ewigkeit vorkam … Ich meine, wollte Joes Mutter nach drei Jahren Sendepause denn nicht ein bisschen schneller wieder mit ihrem Sohn zusammenkommen?
Die Filmcrew packte Kameras und Scheinwerfer zusammen. Ich nahm an, dass sie für Mrs Mortons nächste Szene alles ins Ankleidezimmer schleppten. Joe gab sich einen Ruck und riss den Blick von seiner Mutter los, die gerade den Raum verließ. Dann rückte er seine Schultasche zurecht, bis sie vollkommen gerade an seinem Rücken hing.
»Du bist ja total rot im Gesicht, Taya«, sagte er, als er mich ansah. »So siehst du immer aus, wenn du aufgeregt bist. Ist irgendwas passiert?«
Er war leichenblass. Ich meine, noch blasser als sonst. Meine Knallerneuigkeit kam mir auf einmal nicht mehr so wichtig vor.
»Nein, nichts Besonderes«, sagte ich und hakte mich bei ihm unter. »Komm, wir wollen Tori und Biro und meinen Eltern von deiner Mutter erzählen. Die werden Augen machen!«
Joe bekam wieder ein bisschen mehr Farbe im Gesicht, als wir draußen durch die kalte Luft liefen.
»Ihr werdet nicht glauben, wen wir gerade getroffen haben!«, rief ich, als wir zu den anderen kamen, die bei Papas schwarzem Van standen. Papa knuddelte Boris und passte auf, dass seine Finger dabei nicht mit den funkelnagelneuen spitzen Zähnchen des kleinen Bären Bekanntschaft machten.
»Die Zahnfee«, sagte Tori.
Ich sah Joe an, weil ich dachte, dass er die Geschichte vielleicht erzählen wollte, aber er starrte nur angestrengt auf die Spitzen seiner Turnschuhe.
»Kara Montaigne!«, sagte ich. »Die Schauspielerin, die Lady Tempest spielt.«
Verständnislose Blicke.
»Auch bekannt als Karen Morton«, schob ich nach und schaute gespannt in die Runde.
»Joe!«, stieß Mama hervor und fasste sich an den Hals. »Deine Mutter ?«
Joe nickte.
»Das ist ja unglaublich!« Mama fing fast an zu weinen, als sie Joe in ihre Arme schloss. Sie ist ziemlich emotional, was solche Dinge angeht. »Sie hat sich bestimmt wahnsinnig gefreut, dich zu sehen!«
»Klar«, sagte Joe und versuchte, sich aus Mamas Krakenarmen zu befreien. Er brauchte mehrere Anläufe, bis es ihm endlich gelang.
»Seine Mutter ist abgehauen, um Schauspielerin zu werden?«, raunte Tori mir verblüfft zu.
»Du hast echt was verpasst, Tor. Es war wie eine Szene aus einem Film«, flüsterte ich ihr zu, dann stutzte ich. »Was heißt hier ›wie‹? Es war ja wirklich eine Szene aus einem Film.«
»Würden Sie mich nach Hause bringen, Mr Wild?« Joe klang unheimlich ruhig und gefasst. »Falls Sie jetzt fahren wollen, meine ich.«
»Möchtest du denn nicht bleiben, bis deine Mutter fertig ist, damit ihr noch ein bisschen reden könnt?«, fragte Papa. »Und hinterher könnte sie dich nach Hause fahren.«
»Sie wird noch lange hier zu tun haben, und dann muss sie direkt weg«, sagte Joe. »Am Dienstag ist ihr letzter Tag am Set, und dann werden wir reden. Ich fahre also gerne mit Ihnen mit, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Er stieg hinten in den Van ein, stellte seine Schultasche neben sich auf den Sitz und schnallte sich an.
»Nun ja«, sagte Papa etwas ratlos. Joe guckte stur geradeaus, und sein Gesicht wirkte vor dem dunklen Polster der Rückbank so bleich wie der Mond. »Biro und seine Leute verladen jetzt die Pferde in die Anhänger und machen sich nach einem sehr erfolgreichen Tag auf den Weg nach Godalming, also denke ich mal, ich bin hier für heute fertig.«
Als er Boris an Mama übergab, brummte der kleine Bär verschlafen. Ein paar Leute, die in der Nähe standen, drehten sich neugierig zu uns um
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