Absolut WILD - Die Mini-Tiger sind los
Seite des Betts stand Mama und hielt seine Hand und streichelte seine Finger einen nach dem anderen.
Doktor Nase hakte etwas auf seinem Klemmbrett ab. »Sie haben sich gut erholt«, sagte er zu Papa, als er aufsah. »Es hat allerdings auch eine Weile gedauert. Sie haben uns einen ganz schönen Schreck eingejagt, Mr Wild.«
Er klang ziemlich zufrieden.
»Und, Doktor?«, sagte Papa. »Wie geht es jetzt weiter?« Er sprach sehr langsam, so als wäre den Mund zu bewegen für ihn genauso anstrengend wie Bergsteigen.
Doktor Nase blubberte zunächst ein bisschen herum, bis er endlich wieder etwas sagte, das ich verstand.
»Sie waren in Kolumbien zwei Tage von der nächsten Stadt entfernt und wären fast gestorben, bevor sie behandelt werden konnten. Ich würde Ihnen dringend empfehlen, nicht an solche entlegenen Orte zu reisen, solange Sie noch lernen, mit Ihrer Krankheit umzugehen. Es wäre das Beste, wenn Sie bis auf Weiteres auf längere Reisen verzichten und zu Hause arbeiten.«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis seine Worte bei mir angekommen waren. Dann sagte ich das Erste, was mir durch den Kopf ging.
»Aber in Surrey gibt es keine Affen!«
Und auch keine Leierschwänze und Meerkatzen und Gazellen. Was sollte Papa hier bei uns fotografieren? Labradore?
»Ich kann es Ihnen nur raten«, sagte Doktor Nase. »Mehr kann ich nicht tun.«
Mama brach in Tränen aus. Sie knetete Papas Hand und fing an, auf Portugiesisch auf ihn einzureden. Papa begann zu nicken und gab beschwichtigende Laute von sich.
»Du hast gerade gesagt, dass er ab jetzt zu Hause bleiben muss, nicht wahr, Mama?«, fragte Tori.
Wir verstehen Portugiesisch eigentlich, und wir können uns mit unseren Verwandten unterhalten, wenn wir müssen. Aber wenn Mama aufgeregt ist, wird aus ihren Worten ein einziger Konsonantensalat ohne einen einzigen Vokal. Wie Papa sie verstehen kann, ist mir ein Rätsel. Das ist Liebe, nehme ich an.
»Natürlich habe ich ihm gesagt, dass er zu Hause bleiben muss«, sagte Mama und wischte sich die Augen. »Und er sieht es ja auch ein. Er wird uns nie wieder verlassen.«
»Ich weiß nicht, wer mich zuerst umbringen würde«, sagte Papa matt. »Der Diabetes oder meine Lebensversicherung.«
Meine Gefühle waren gemischt. Ein Teil von mir war grenzenlos erleichtert. Papa war aufgewacht und blieb ab jetzt zu Hause! In England! Für immer! Mit Hilfe von Medikamenten und der richtigen Ernährung konnte er mit dem Diabetes klarkommen, hatte Doktor Nase gesagt. Und wir konnten uns um ihn kümmern – und vielleicht rasierte er sich sogar seinen Bart ab, wenn ich ihn ganz nett darum bat. Es würde toll sein, ihn zu Hause zu haben. Ungewohnt, aber toll.
Der Rest von mir fragte sich allerdings, wie ein Tierfotograf in der Grafschaft Surrey seinen Lebensunterhalt verdienen sollte.
»Und was wird aus deinem Beruf?«, fragte Tori prompt.
Papa schwieg einen Moment, dann sagte er: »Ich habe keine Ahnung.«
Und dann schlief er ein, und wir verließen auf Zehenspitzen das Zimmer. Im Flur rutschte ich auf einem glänzenden Fleck auf dem Boden aus, was mir oberpeinlich war, weil da so ein Fünfzehnjähriger stand, der sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. Sein Gelächter verfolgte mich noch eine halbe Ewigkeit.
Papa musste noch eine Woche im Krankenhaus bleiben. Er sollte erst einmal zu Kräften kommen und lernen, sich Insulin zu spritzen. Auf der Rückfahrt nach Fernleigh machte ich einen Vorschlag nach dem anderen dazu, als was er arbeiten könnte, nachdem er nicht mehr um die Welt fliegen und Großaufnahmen von spuckenden Kobras für den National Geographic machen konnte. Ich erinnerte mich nämlich noch sehr gut daran, was Mama gesagt hatte, als ich DAS Thema angeschnitten hatte: dass wir das Geld, das Papa verdiente, für unser Essen und das Haus brauchten.
»Bitte, Taya, Schatz.« Mama ließ erschöpft ihre Schlüssel auf den Tisch im Flur fallen und hielt sich die Ohren zu. »Ich kann jetzt nicht darüber nachdenken, sonst werde ich wahnsinnig!«
»Vielleicht könnte er offizieller Wild World -Fotograf werden«, schlug ich ein wenig später vor, nachdem Rob rasch wieder nach Hause zu Doris gelaufen war und die Tiger uns so stürmisch begrüßten, als hätten wir uns eine Million Jahre nicht gesehen. »Ich weiß nicht, ob sie schon einen haben, aber er würde es bestimmt ganz großartig machen. Er kennt die besten Einstellungen und …«
»Komm mit, Taya!«, unterbrach mich Tori. »Wir müssen Hausaufgaben
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