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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin MacInnes
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die mit der Szene nichts anfangen kann, obwohl sie dort in vielerlei Hinsicht erst dafür sorgen, dass die Szene läuft. Dieses Outer-Space-Kid arbeitet bei der kommunalen Verwaltung, was auch immer der Junge da tut, und irgendwie treffe ich ihn ein Mal im Jahr oder so, zufällig, so wie jetzt, wenn er sich mal aus seinem viereckigen Herrenhaus zu mir verirrt, oder ich mich umgekehrt zu ihm. Und dann begegnen wir uns wie Reisende, und ich erzähle ihm von den Wundern in meinem Teil der Hauptstadt, von wirklichen und erdichteten, und er erzählt mir von seinen sportlichen Betätigungen und wie er auf einen Motorroller spart und auf welche Seite in den Büchern ein bestimmter Sollposten der Gemeinde gehört oder ein Guthaben. Er ist süß, aber ziemlich fad, wenn auch nicht unbedingt ein Langweiler.
    »Welchen Knoten würdest du wählen«, sagte ich, als ich mich neben ihn gesellte und ihm aus dem Mundwinkel ins Ohr flüsterte, »um zwei Seile ungleicher Dicke zusammenzubinden, angenommen, du hättest zwei solche Seile und wolltest die beiden zusammenbinden?«
    »Oho, du bist es, kleiner Mowgli«, sagte dieses Outer-Space-Produkt, blieb stehen und schlug mir auf die Schulter, bis ich zehn Zentimeter tief im Gehsteig von Soho versunken war.
    »Ich, ja ich! Wie entwickeln sich die nationalen Probleme? Gib mir den ganzen Klatsch von den Buchhalter-Schleichern im Rathaus.«
    »Der Haushalt ist ausgeglichen«, sagte das O.-S.-Kid, »aber das Geld, durch das er ausgeglichen wird, hat dieser Tage nur noch ein Drittel seines früheren Werts.«
    »So was! Und wie geht’s dem Roller-Dingsbums? Wie viele Beine außer deinen eigenen hast du schon gebrochen?«
    Das O.-S.-Kid schaute traurig. »Ich hab keinen Roller«, erwiderte es, »weil meine Ma lieber einen Fernseher wollte.«
    »Junge – bist du ein Verräter? Du lässt dir von deiner alten Ma sagen, wofür du dein selbst verdientes Geld ausgeben sollst?«
    »Tja, mein Sohn, sie ist eben nicht mehr die Jüngste.«
    »Sitzt gern in ihrem Korbschaukelstuhl und gerät bei der Werbung ins Schielen?«
    »Jetzt sei nicht sarkastisch. Drückt dich irgendwas oder so?«
    »Sehr! Das tut es. Oh ja!«
    »Dann lass es woanders aus. Zumindest nicht bei mir.«
    »Okay, Colonel. Ich werde es für mich behalten.«
    »Außerdem kannst du sagen, was du willst, aber beim Fernsehen kann man eine Menge lernen. Ich weiß, dass es da ums Geldverdienen geht, aber auf seine Art ist es großer, universeller Unterricht.«
    »Endlich blickt das Volk mal über die Türschwelle, meinst du?«
    »Tut es das etwa nicht? Sag du’s mir.«
    »Es sieht nur ausgewählte Auszüge, Ansichten und Perspektiven.«
    »Die veralbern uns also, diese Leute? Diese ganzen Professoren und Autoritäten?«
    »Aber klar tun sie das! Glaubst du, die erzählen uns irgendwelche Geheimnisse, die zu kennen es wert wäre? Glaubst du, ein Professor, der zwanzig Jahre studiert hat, kann einfach in so einem Studio auftauchen und dir etwas über die Wirklichkeit erzählen?«
    »Auf dem Bildschirm sieht es schon wirklich aus …«
    »Ah, na gut … Ich sag dir was, Wolverine«, erklärte ich dieser einfachen, treuherzigen Seele, als wir den Boulevard hinunterzulaufen begannen, hier einem Herumtreiber, da einem Grapscher, dort einem Penner und woanders einer Nutte ausweichend. »Ich sag’s dir. Diese ganzen Sachen – die Fernseh-Medizinmänner und Werbefritzen und Showbusiness-Popsong-Piraten – die veräppeln uns – kapierst du? – die wollen uns preisreduzierte Pailletten als Diamanten verkaufen.«
    Der Junge blieb stehen. »Hör mal«, sagte er, »an irgendwas auf der Welt muss man doch glauben.«
    »Alles klar, so siehst du das. Dann schau mal hier!«, sagte ich und zeigte auf eine Kaffeebar, die jetzt sogar in seriösen Reiseführern auftaucht, weil die Legende geht, dort sei der ganze Teenage-Pop-Wahnsinn »entdeckt« worden. »Siehst du diese Einrichtung?«, sagte ich. »Siehst du die ganzen Kids, wie sie sich um die Musikboxen drängeln und so aussehen, als meinten sie, sie wären dabei, wenn die Preise vergeben werden, beim authentischen, großen Ereignis?«
    »Ich kenne den Laden. Da war ich schon mal.«
    »Das wette ich! Für Trottel wie dich ist er ja auch da. Aber ich kann dir sagen – keine Teenage-Nachtigall wurde in dem Laden jemals ›entdeckt‹, ehe die Fernsehkameras und die Journalisten sich dort zum Massaker einfanden. Die singenden Kids hatten einander schon selbst gefunden, am anderen Ufer, im Süden oder

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