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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin MacInnes
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gerade noch diese Fluss -Geräusche hören, die niemand beschreiben kann, die man aber immer wiedererkennt. Jedes Mal, wenn ich für eine Spazierfahrt hierherkomme, egal in welcher Stimmung, erfüllt es mich mit Lebensmut, Elan und Freude. Und während ich nach draußen aufs Wasser blickte, und es war wie ein Mund, wie ein Bett, eine Schwester, dachte ich, mein Gott, wie sehr ich diese Stadt liebe, so furchtbar sie auch sein mag, und dass ich nie, nie hier fortgehen will, komme da, was auch immer für mich bestimmt ist. Denn auch, wenn sie so verwahrlost scheint und so unfein und so halt-dich-ja-fern, wenn du diese Stadt gut genug kennenlernst, um sie um den Finger zu wickeln, und wenn du ihr Sohn bist, steht sie immer auf deiner Seite und unterstützt dich – zumindest bildete ich mir das ein.
    Als wir dann wieder nach Westminster zurückkamen, wobei der Nacken des Fahrers die pure Missbilligung ausstrahlte, bat ich diesen Kutscher, nach Süden abzubiegen, über den Strom, runter zum Castle: weil mir der Gedanke gekommen war, wie nett es wäre, nach so vielen gemischten Gefühlen, bei Mannie Katz und seiner Ehefrau Miriam vorbeizuschauen.
    Mannie traf ich zum ersten Mal an einem Marktstand für gelierten Aal in der Nähe des Cambridge Circus, als wir beide nach dem Essig griffen und gleichzeitig Pardon sagten. Wie du wohl schon erraten hast, ist der Junge jüdisch, ebenso wie Miriam (und ihr einziger Sprössling), aber meines Erachtens ist der Umstand, dass ich es selbst ein bisschen bin, mütterlicherseits, wie ich schon erklärt habe, nicht der einzige Grund dafür, dass ich dieses Paar so sehr bewundere. Hier muss ich jetzt meine Einstellung zu diesem ganzen jüdischen Ding erklären, die zusammengefasst lautet: Gott (ihrer und unserer) sei Dank gibt es sie. Ich kenne die ganzen Argumente gegen sie, von vorn bis hinten, und ich verstehe schon, was die Heiden meinen, die wegen ihnen beunruhigt sind – aber echt! Rechne alle Fehler zusammen, die dir einfallen, und stelle sie der großen Tatsache gegenüber, dass jüdische Familien das Leben lieben , auf der Seite des Lebens stehen und mit Leben geradezu erfüllt sind … was zählen die Minuspunkte dann noch? Besuche einfach mal einen jüdischen Haushalt, irgendwo, und ich sage dir, so schrecklich du sie auch immer finden magst, was dich schon in sechs Meilen Entfernung anspringt und in dein Bewusstsein dringt, ist, dass sie leben . Das Ganze ist ein riesiges, lärmendes, hochfahrendes, eiferndes, wehklagendes Durcheinander, sicher, aber sie sind am Leben ! Und wie sie umgehen mit was auch immer das Leben ausmacht, als sei es ein Stoff, den sie probten, lässt dich sofort erkennen, dass sie ein uraltes, erhabenes Volk sind, das schon sehr lange im Geschäft des Daseins tätig ist. Ich liebe London wirklich, wie schon gesagt. Aber wenn die jüdische Bevölkerung genug Knete gemacht hat, um nach Amerika abzuhauen oder nach Israel, dann gehe ich auch weg. Damit würde hier das Licht ausgehen.
    Mannie war genau genommen schon einmal in Israel, auf einem Schriftsteller-Kongress, und verpasste nur knapp diese zweitätige
Schlacht mit den Pharaonen
28 , die wir alle gern vergessen würden. Aber weil er ein Cockney Kid ist, ist er nicht
     so aggressiv wie die echten Israelis, die, wenn man ihnen in irgendeiner Kaffeebar begegnet, über den Orangenhain, in dem sie leben, so reden, als sei es
     ein Kontinent, und die Antwort auf absolut alles wissen, bevor man überhaupt die Fragen gestellt hat. Mannie ist übrigens ein waschechter Cockney, keines
     der
Variety-Bandbox-Imitate
29 , und er ist hart und traurig und humorvoll und sentimental, wie sie halt sind. Miriam ist seine zweite Dame, die erste muss er schon in der Wiege geheiratet haben (sie war eine von uns – und sie scheiterten), da er jetzt gerade erst zwanzig wird wie wir alle. Und es gibt da auch einen jungen Krieger von zwei Jahren namens Saul, der trotz allem, was ich über das jüdische Familiendasein gesagt habe, eine verdammte Nervensäge ist und gut ein bisschen von dieser israelischen Disziplin gebrauchen könnte, anstatt vom gesamten Katz-Clan verwöhnt zu werden, von allen Generationen, und davon gibt es eine Menge.
    In ein jüdisches Heim zu gelangen, wenn du keiner von ihnen bist, ist ein delikater Vorgang, denn auch wenn das Haus dir gehört, sobald du einmal drin bist, lassen sie sich doch erst mal Zeit, ehe sie dich hineinbitten, und unangemeldeten Besuch, so wie gerade, mögen sie überhaupt

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