Absolute Beginners
Jazz-Schleicher.«
Das kam nicht so gut an. »Unsere Kunst ist authentisch«, sagte Ron Todd.
»Das war sie«, erzählte ich ihm. »Aber ihr denkt euch nicht genügend eigene Songs aus. Songs über die Szene, meine ich, über uns und das Jetzt. Das meiste von eurem Zeug ist altertümlich-englisch oder modern-amerikanisch oder es sind eigenartige Minderheiten-Songs aus schäbigen Ecken. Aber was ist mit unserer kleinen Fabel hier? Ihr gebt euch keine Mühe – nicht mehr als Dickie Hodfodder auch.«
»Was für ein Vergleich!«, rief Ron in höchster Empörung.
Aber ich merkte, dass ich dabei war, eine meiner goldenen Regeln zu brechen, die darin besteht, nicht mit Marxisten-Kiddies zu diskutieren, weil die nämlich Bescheid wissen. Und sie wissen nicht nur Bescheid, sie sind auch nicht verantwortlich – und das ist genau das Gegenteil von dem, was sie zu sein glauben. Ich meine, sie stellen sich das doch folgendermaßen vor, wenn ich das richtig verstehe. Du befindest dich in der Geschichte, das schon, weil du im Hier und Jetzt Triebe schlägst, aber du befindest dich auch außerhalb der Geschichte, weil du längst in der marxistischen Zukunft lebst. Und deshalb bist du, wenn du dich umschaust und hundert Gräuel siehst, und die nicht nur musikalischer Art, nicht für sie verantwortlich, weil du sie schon hinter dir gelassen hast, im Königreich von K. Marx. Aber was mich angeht, so muss ich sagen, dass ich mich für all die Gräuel, die ich um mich herum erlebe, besonders für die englischen, verantwortlich fühle, für alle, und zwar genauso wie für die wenigen netten Dinge, die ich mitkriege.
Aber während ich darüber nachdachte, waren meine Augen von Ron weggewandert, ein oder zwei Meter weiter zu dem Dienstmann, den ich erwähnte, und der, weil er vermutlich an der Darbietung kein Interesse hatte, eine Abendzeitung las, was ich ihm nicht verübeln kann, und mir sprang eine Überschrift ins Auge. Ich sagte nur: »Entschuldigen Sie«, und nahm ihm die Zeitung aus der Hand und betrachtete eine Fotografie von Suze und Henley und rannte die Treppe hinauf auf die Straße. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht genau, was dann passierte, denn meine nächste halbwegs klare Erinnerung besteht darin, dass ich auf meiner Vespa eine Landstraße entlangratterte, die Meilen und Meilen lang war, bis, ich weiß nicht wo, das Benzin alle war und die Vespa stehen blieb, und ich war nirgendwo.
Also stieg ich von dem Fahrzeug ab, das mich nicht mehr interessierte, und ließ mich auf der Straßenbegrenzung nieder und sah den Autolichtern zu, die gelegentlich vorbeiblitzten. Ich dachte über einen Unfall nach – ja, das tat ich tatsächlich –, aber nicht lange, weil ich nicht von einem gindurchtränkten Motoristen ausradiert werden wollte, der auf dem Weg zurück zu seinem Bett in der Vorstadt war, und ich dachte darüber nach, das Land zu verlassen oder irgendein Mädel vor den Standesbeamten zu zerren und selbst zu heiraten – im Grunde dachte ich an alles außer an Suze, weil das zu diesem Zeitpunkt einfach zu schrecklich schmerzhaft gewesen wäre, auch wenn es echt eine Qual war, es nicht zu tun – ich meine, nicht an sie zu denken –, genau genommen praktisch unmöglich: denn selbst wenn ich nicht an sie dachte, spürte ich doch den Schmerz darüber, dass ich es nicht tat – es war die reine Folter. Und dann entpuppte sich die Straßenbegrenzung, auf der ich saß, gar nicht als Straßenbegrenzung, sondern als ein Haufen Metall für Straßenarbeiten, und das verdammte Ding fiel in sich zusammen, und ich rutschte in einer Kaskade auf die Vespa und schmiss sie um.
Ein Auto hielt drei Meter entfernt am Straßenrand, und von innen sagte eine Stimme: »Alles in Ordnung?«
»Nein!«, schrie ich zurück.
»Bist du verletzt?«
»Ja!«, rief ich aus.
Dann gab’s ein Klappern und ein Rumsen, und ein Paar Füße kamen daher, aber ich konnte das Gesicht darüber im grellen Licht nicht erkennen, und der Schleicher, zu dem die Füße gehörten, fragte mich: »Hast du getrunken?«
»Ich trinke nie.«
»Oh.« Der Schleicher kam näher. »Was ist dann los?«
Da ließ ich einen hysterischen Schrei los und kreischte vor Lachen wie ein Irrer. »Du hast doch was getrunken«, sagte der Schleicher missbilligend.
»Tja, genauso wie Sie«, Sagte ich.
»Da hast du allerdings recht, das habe ich.«
Der Schleicher hob meine Vespa hoch, schüttelte sie und sagte: »Dir ist der Saft ausgegangen, das ist dein Problem. Kein Saft mehr in
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