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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin MacInnes
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Tanzfläche in der Mitte abgehen ließen oder herumstanden, alle in ihren elegantesten Gewändern, die Jungs entweder mit einem kennerhaften Zeh wackelnd oder leicht schaukelnd und die Mädels ein bisschen unruhig und mit umherwandernden Augen, denn, man kann sagen, was man will, die Puppen kommen nicht so sehr zum Zuhören in die Clubs. Und dann, nach ein bisschen Blödsinn am Schlagzeug, griff R. Hodfodder zum Mikrofon und verkündete, seine Sängerin Athene Duncannon würde uns nun beehren.
    Big Jill erhob sich zehn Zentimeter von ihrem Stuhl und packte ihre Pepsiflasche.
    Miss A. Duncannon war ziemlich in Ordnung, und sie gefiel den Kids offensichtlich, aber ich muss sagen, dass es meiner Meinung nach ein Fehler ist, wenn junge, weiße, englische Mädchen versuchen, eine präzise Imitation von Lady Day abzuliefern, da die beste Imitation, die vorstellbar ist, immer noch ungefähr zwei Millionen Meilen von dem entfernt wäre, was Billie H. an einem guten Tag mit dir anstellen kann, nämlich, dich komplett umzupolen, sodass du es nicht ertragen kannst, irgendjemand anderen singen zu hören, zumindest für eine Stunde oder so. Dennoch, von Big Jills Standpunkt aus konnte ich die Situation schon verstehen, denn diese Athene D. war ein höchst flexibles Geschöpf, dessen Kleid enger saß als die Haut darunter und die die Versammelten auf diese Frauen-Darstellerinnen-Art anfunkelte, die unter weißen amerikanischen Sängerin zur Zeit in Mode kommt, den Posen auf den LP -Covern nach zu urteilen.
    »Oh«, rief Big Jill.
    »Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?«, sagte eine Stimme.
    Es war Ron Todd, der aufgetaucht war und neben dem Tisch stand, gammelig und missvergnügt, ganz in Ballad-and-Blues-Manier also, und der außerdem zu jenen Menschen gehörte, die glauben, dass du, wenn sie dich eine Weile nicht gesehen haben, zweifellos verreist gewesen sein musst, oder gestorben, weil sie jedermann sehen.
    »Ja, lange nicht gesehen«, sagte ich zu ihm. »Komm mal hier rüber, ich will mit dir reden.«
    Aber als ich ihn in eine halbwegs verlassene Ecke gezerrt hatte und mit meinem Gelaber über den Mammut-Kran anfing, merkte ich, dass er mir nicht zuhörte, sondern über die unschuldigen und fröhlichen Gesichter der Hodfodder-Fans hinweg böse nach einer Nummer schielte, die eben die Treppe runterkam, und das in einem äußerst extravaganten Aufzug: malvenfarbener, zweiknöpfiger Smoking, Spitzenhemd, Lackpumps mit Schleifen und, an seinem Arm, eine namenlose Dame.
    »Das ist Seth Samaritan!«, rief Ron.
    Mehr oder weniger auf diese Art würde vielleicht K. Marx persönlich über den Chef der Shell Oil Company sprechen (wenn es einen gibt), denn S. Samaritan ist der oberste Schurke in Rons Bilderbuch – und nicht nur in seinem –, weil er der Erste war, der vor ein paar Jahren erkannte, dass mit dem Jazz, den es früher bloß für Kids und Kicks gab, Geld zu verdienen war, und Clubs eröffnete und Bands engagierte und Talente von weither einflog und das Ganze in Nerze und Jaguars und ein bescheidenes Heim in Teddington verwandelte. Ich versuchte Ron wieder hoch auf den Kran an der Southbank zu kriegen, aber das war Schwerstarbeit.
    »Ich würde den da gern in den Kran setzen!«, rief Ron und wedelte mit seiner Aktentasche, weil er wie viele musikalische Schleicher in diesem Sommer den Fimmel hatte, so ein Ding ohne Henkel, aber komplett mit Reißverschluss, Schloss und Schlüssel mit sich herumzutragen.
    »Ganz langsam, Ronald. Schreib einen Song drüber.«
    Er starrte mich an. »Weißt du, das ist eigentlich eine gute Idee«, sagte er. »Was reimt sich auf ›
Silberlinge
‹?«
    Ich zermarterte mir das Gehirn, musste aber zugeben, dass ich ihm damit nicht helfen konnte.
    »Dieser Laden ist schon schlimm genug«, sagte Ron und schwenkte seine Aktentasche durch das musikalische Etablissement, »aber jetzt stell dir vor, dass auch noch Seth Samaritan hier einfällt.«
    »Da hast du recht«, sagte ich.
    Ron funkelte mich durch seine Gilbert-Harding-Brille an. »Das sagst du«, rief er, »aber glaubst du es auch?«
    »Na ja, doch, schon. Ich meine, du hast recht .«
    »Wirklich?«
    »Na ja, doch, hast du. Ich meine, es gibt die ursprüngliche Musik, nicht wahr, und es gibt periodische Musik, die sie anzapft, und bloß kommt und geht.«
    »So ist es!«
    »In England ist das meiste, was man hört, periodisch. Nicht viel ist ursprünglich.«
    »Stimmt!«
    »Und das trifft auf euch Ballad-and-Blues-Puritaner ebenso zu wie auf die

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