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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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größten Bäumen von Maebens Insel geschnitzt und so hoch, dass die Bildnisse mit dem bloßen Augen kaum zu erkennen waren. Allerdings waren sie auch nicht dazu gedacht, vom Boden aus betrachtet zu werden. Sie waren ein Tribut an Maeben und sollten aus einer göttlichen Perspektive zu sehen sein, nämlich vom Himmel aus.
    Die Göttin als Seeadler zu bezeichnen, wäre ein Sakrileg gewesen. Zwar besaß sie dessen Gestalt und hatte Schwestern und Basen, die tatsächlich Vogelwesen waren, doch Maeben selbst stellte sie alle in den Schatten. Ihren scharfen, klaren Augen entging nichts, und sie vermochte das Wesen aller Dinge und Menschen zu erkennen. Sie verdiente – forderte – ihren Respekt. Und sie hatte die Macht, sie daran zu erinnern, wann immer sie es für angebracht hielt.
    Im Laufe der Jahre hatte die junge Frau die zahlreichen Götter des Vumu-Pantheons kennen gelernt. Dazu gehörte beispielsweise Cress, die über die Gezeiten herrschte. Uluva schwamm vor den Thunfischen her und lenkte sie auf ihrer jährlichen Wanderung in die Nähe der Insel. Banisha war die göttliche Königin der Meeresschildkröten. Nur mit Banishas Segen krochen ihre Töchter jeden Sommer an den Südstrand und vergruben ihre nahrhaften Eier im warmen Sand. Dann gab es noch Bessis, das Krokodil, das Nacht für Nacht ein Stück vom Mond abbiss, bis nichts mehr davon übrig war. War die Mondfrucht wieder nachgewachsen, erwachte Bessis aus ihrem Schlummer und begann den Festschmaus von neuem. Mit der Zeit hatte die junge Frau begriffen, dass der Zyklus der Natur ständig bedroht und vom guten Willen und dem Wohlergehen zahlreicher Gottheiten abhängig war. Sie kannte nicht einmal alle ihre Namen, doch das war auch nicht notwendig. Nur zwei Gottheiten standen an der Spitze des Vumu-Pantheons, und nur eine davon war für ihr eigenes Leben von zentraler Bedeutung.
    Im Unterschied zu vielen anderen Gottheiten hatte Maeben keine Aufgabe in der Natur zu erfüllen. Vom Tag ihrer Geburt an hatte sie derlei Mühsal verschmäht. Sie war die Göttin des Zorns, die eifersüchtige Schwester des Himmels, die sich ständig gekränkt fühlte: von Göttern, Menschen, Tieren, sogar von den Elementen. Maeben war ausgesprochen reizbar und furchtbar in ihrem Zorn. Sie schleuderte Stürme, Regen und Wind herab und schlug mit ihrem Schnabel Funken, die als Blitze auf die Erde niedergingen. Die Menschen hielt sie schon seit langem für stolz und glaubte, sie würden von den anderen Göttern zu sehr begünstigt. Ein einziges Mal hatte sie an einem Menschen Gefallen gefunden, doch das hatte zu einer Tragödie geführt.
    Der Mann hatte Vaharinda geheißen. Er war von Menschen gezeugt, war aber aus irgendeinem Grund gesegnet gewesen, noch ehe er dem Mutterleib entschlüpfte. Anstatt sich von seiner Mutter in den Schlaf singen zu lassen, sang er für sie. Statt dass sie ihren Bauch streichelte, um ihn zu beruhigen, streichelte er sie von innen. Vaharinda kannte sich mit den Frauen aus; das erkannte seine Mutter, noch ehe sie ihn gebar. Als er zur Welt kam, staunte man über ihn. Er war vollkommen. Er wuchs wie Unkraut, doch alles an ihm war wohlgeformt. Als er sechs oder sieben war, gerieten erwachsene Frauen bei seinem Anblick in Verzückung. Mit elf hatte er schon mit hunderten Frauen geschlafen. Mit fünfzehn nannten ihn tausend Frauen Gemahl und behaupteten, seine Kinder geboren zu haben. Er war auch ein mutiger und geschickter Jäger und ein Krieger, dem es kein anderer Mann gleichtun konnte. Seine Feinde versetzte er in Angst und Schrecken.
    Eines Tages beobachtete Maeben, wie Vaharinda einer Frau nach der anderen Lust bereitete. Sie sah, wie sie verzückt und hingerissen unter ihm keuchten. Sie hörte, wie sie andere Götter anriefen und sie aufforderten, Zeuge des Wunders zu sein, das ihnen widerfuhr. Dies alle weckte Maebens Neugier. Sie nahm Menschengestalt an und näherte sich Vaharinda. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, sich ihm hinzugeben, doch als sie ihm in die Augen sah, wurde sie schwach. Was für ein Mann! Was für ein Lustwerkzeug sich zwischen seinen Beinen bäumte! Warum sollte sie es nicht besteigen und sich selbst ein Bild von den Freuden des Fleisches machen?
    Genau das tat sie auch. Und es war schön. Hinterher lag sie keuchend im Sand. Erst nach und nach wurde ihr bewusst, dass Vaharinda weit weniger beeindruckt war als sie. Er plauderte bereits mit einer anderen Frau. Zornentbrannt rief Maeben ihn zu sich und verlangte, dass er sie

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