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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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wie Jahre der Erfahrung sie gelehrt hatten. Kelis war, als würde er von innen heraus austrocknen. Sein Fleisch wurde zu merkwürdigem Leder, das zusammenschrumpfte, um seine Muskeln und Sehnen und immer dünner werdenden Adern weiter zu umhüllen. Manchmal tat er nur so, als würde er aus seinem Wasserschlauch trinken, um die kostbare Flüssigkeit für Shen aufzusparen. Obwohl sie niemals darüber sprachen, vermutete er, dass Benabe und Naamen dasselbe taten.
    Leeka trank nie. Er schlief nicht. Er zeigte keinerlei Anzeichen von Müdigkeit und schien die Hitze nicht zu spüren.
    Jeden Abend, wenn die Sonne sich dem Westen zuneigte, erhoben sie sich und begannen nach ein paar kurzen, ermunternden Worten des Generals ihren Marsch aufs Neue. Shen ging oft neben dem Mann im Kapuzenumhang. Sie war die Einzige, die sich in seiner Gegenwart wohl zu fühlen schien und ebenfalls von Müdigkeit oder Durst unbeeinträchtigt blieb. So wie er ihr den Kopf zuneigte und sie ihn am Arm zupfte und zu ihm aufblickte, hätte man annehmen können, dass sie sich unterhielten – vielleicht ein Onkel, der einen Spaziergang mit einer seiner Lieblingsnichten machte.
    Doch soweit Kelis feststellen konnten, wechselten sie nur wenige Worte. Bei mehreren Gelegenheiten, wenn sie sich in einem lebhaften Gespräch zu befinden schienen, schloss er dicht zu ihnen auf, so dicht, dass er das komplizierte Muster von Shens Zöpfen erkennen konnte, die eng an ihrem Kopf anlagen, so dicht, dass er das Klicken der Perlen hören konnte, die am Ende dieser Zöpfe befestigt waren. Aber das und das Schlurfen ihrer Füße und ihr langsames Atmen in der immerzu heißen Luft und Leekas Schlucken waren die einzigen Geräusche, die er jemals hörte.
    »Er ist wahnsinnig«, sagte Benabe eines Abends, »und er bringt meiner Tochter bei, wie das geht. Ich mag den Mann nicht.« Das hatte sie von dem Augenblick an klargestellt, als sie ihn zum ersten Mal in seinem Kapuzenumhang allein in der Wüste hatte stehen sehen. In den folgenden Tagen war sie nicht müde geworden, Kelis immer wieder an ihre Meinung zu erinnern. Mehrere Male schlug sie vor, dass sie sich von Leeka trennen und nach Norden oder nach Osten wenden sollten, zur Küste. Sie könnten später zurückommen, sagte sie, mit der Hilfe anderer. Ihre Lippen waren aufgesprungen, ihre Haut staubbedeckt, ihr Gesicht ausgemergelt. Sie musste langsam sprechen, unterbrochen von vorsichtigen Atemzügen, doch sie war deswegen nicht weniger die hitzige, beschützende Mutter.
    »Du glaubst, dass ein Mann, der allein in der Wüste steht, bei klarem Verstand ist?«, fragte sie. »Du glaubst, dass er uns irgendwohin führen sollte? Er hat sich verirrt, und wir folgen ihm. Wozu macht uns das? Ich werde es dir sagen: zu noch größeren Narren.«
    »Shen sagt …«
    »Shen ist ein Kind! Sie mag auch noch mehr als das sein, aber in erster Linie ist sie ein kleines Mädchen. Sie träumt. Sie zittert und hört Stimmen.«
    »Früher hast du gesagt …«
    »Ich weiß, was ich gesagt habe. Aber was habe ich damals gewusst? Ich habe in einem Haus in Bocoum gesessen …« Sie schüttelte den Gedanken daran ab. Nachdem sie einen Moment geschwiegen hatte, sagte sie: »Ich will damit sagen, dass ich sterbe, wenn er ihr etwas zuleide tut. Aber wenn die Leute so etwas sagen, meinen sie es eigentlich nicht so. Aber ich sage einfach nur die Wahreit: Ich werde sterben.« Sie stieß ihn mit einem Ellbogen an. »Du auch. Dafür werde ich sorgen, bevor ich gehe.«
    Es war offensichtlich, dass auch Naamen seine Zweifel hatte, wenn auch nicht so beständig wie Benabe. Er schloss zu Kelis auf, nachdem sie davongeschlendert war. Schweigend schritt er einige Zeit lang neben ihm her und sagte schließlich: »Wenn dieser Tag vorbei ist, werden wir kein Wasser mehr haben.«
    »Ich weiß«, sagte Kelis.
    »Dann weißt du auch, dass wir wandelnde Tote sind. Benabe hat recht: Wir hätten nicht hierherkommen sollen.«
    »Lass nicht zu, dass ein Feigling deine Haut trägt«, antwortete Kelis. Seine Antwort war umso schroffer, da er mit denselben Gedanken rang. »Wenn du zu einer Queste gerufen wirst, gehst du. Du vertraust. Wir müssen Leeka vertrauen.«
    Als Antwort hatte Naamen ausgeatmet und die trostlose Öde um sie herum betrachtet. Was brauchte er auch noch mehr zu sagen, wenn das ganze Erdenrund nichts weiter als Sand war, rissig von der Sonne, so ausgedörrt, dass der Boden aussah, als hätte er noch nie einen Wassertropfen gesehen?
    »Vielleicht ist

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