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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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dem Durcheinander von Felsen und Riffen heraus und in tieferes, offenes Wasser glitten.
    Dort jagte er das Schiff vorwärts. Sie rasten durch die Nacht, und der Bug klatschte jedes Mal herab, wenn sie über einen Wellenkamm rasten. Gischt wirbelte durch die Luft. War er jemals in seinem Leben so schnell übers Wasser gefahren? Er war sich nicht sicher, konnte es nicht mit Gewissheit sagen, da es um ihn herum so dunkel war. Er glaubte, sogar noch schneller fahren zu können, und sehnte sich danach, das bei Tageslicht tun zu können, ohne Angst haben zu müssen, auf ein Riff aufzulaufen.
    Beim Schöpfer – was für ein Schiff! Was für ein Schiff!
    Wie konnten sie es zerstören? Die Idee kam ihm verrückt vor. Diese Macht! Er könnte wieder Sprotte sein, aber ein Sprotte, wie die Welt ihn noch nie gesehen hatte. Er würde der Gilde eine Nase drehen, würde allen eine Nase drehen.
    »Genieße es nicht zu sehr«, sagte Skylene. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie heraufgekommen und an seine Seite getreten war. »Vergiss nicht, warum wir hier sind.«
    »Du kannst dieses Boot doch nicht immer noch zerstören wollen«, sagte Dariel. »Spüre es doch einmal. Das ist ein Wunder. Hast du eine Ahnung, was ich mit so einem …«
    »Wir müssen es zerstören.«
    »Warum?«, fragte Dariel.
    »Weil es böse ist.« Sie beugte sich zu ihm, streifte dabei seine Schulter, und sagte so leise, dass nur er es hören konnte: »Du findest es so wunderbar wegen der Macht, die darin ist. Aber das, was diese Macht bewirkt, macht es so entsetzlich. Schiffe wie dieses hier … Sie fahren mit Seelen , Dariel. Mit der Essenz von Kindern. Quotenkindern. Sie ist in ihnen gefangen. Diese Schiffe verbrennen Seelen. Stell dir ein Kind vor, das in die Sklaverei verkauft wurde. Stell dir vor, wie dieses Kind in den Brennofen dieses Bootes geworfen wird, es von innen her befeuert. Genau darum handelt es sich. Ich weiß, es ist verführerisch. Das ist das Böse oft.« Sie machte eine Pause und sagte dann: »Vielleicht fährst du ein bisschen langsamer.«
    Er hatte ihr Profil betrachtet, während sie nach vorne geblickt hatte. Nun wandte er den Kopf und nahm Fahrt weg. Als der Bug sich senkte und etwas von dem Geschwindigkeitsrausch ihn verließ, sah er, was sie zu ihrer Ermahnung veranlasst hatte. Einige Zeit war der lange Schatten einer östlich von ihnen gelegenen Insel immer näher herangekrochen, während sie in Richtung Süden daran entlanggerast waren. Jetzt drangen ein Lichtschein und Bewegung aus einer Bucht dieser Insel. Die Bucht musste einen tiefen Ankergrund haben, denn eine Brigg der Gilde schmiegte sich dicht ans Ufer, von lodernden Pechlaternen beleuchtet. Kleinere Boote beförderten Vorräte und Menschen an Land. Auf den Hafenanlagen arbeiteten Männer, luden Vorräte aus. Noch während sie hinsahen, flackerten in Gebäuden überall entlang des Ufers neue Lichter auf. Wie es schien, nahm die Gilde die Insel in Besitz.
    »Was ist das für eine Insel?«, fragte Dariel.
    »Lithram Len«, antwortete Skylene. »Sie müssen sie gerade erst gefunden haben.«
    »Ist hier der Seelenfänger?«
    Sie nickte. »Fahr langsam und bring uns wieder näher an die Küste des Festlands. Wir sollten nicht gesehen werden, vor allem jetzt nicht. Das Volk muss erfahren, dass die Gilde die Insel gefunden hat.«
    Dariel befolgte ihre Anweisungen. Er schaffte es, das Schiff hinter ein schmales Wallriff zu manövrieren, das sie eine Weile verbarg. Sobald er sich hinter dem Riff befand und der Lichtschein hinter ihnen verblasste, erhöhte er wieder das Tempo. Erst jetzt, da er nicht mehr alle seine Gedanken darauf konzentrieren musste, das Boot zu steuern, sann er über das nach, was er gerade gesehen hatte. Die Gilde war auf Lithram Len. Der Seelenfänger war auf Lithram Len. Nein, er hatte ihn niemals mit eigenen Augen gesehen, aber er hatte gesehen, wie Devoth einen Tod abgeschüttelt hatte – wie er einen Pfeil aus seinem Herzen gezogen und weitergelebt hatte. Das reichte ihm, um daran zu glauben.
    Wenn sie den Raum mit dem Seelenfänger finden, dachte er, und lernen, wie man ihn anwendet …
    Dariel straffte sich. Und dann kam ihm ein Gedanke – so unerwartet, dass sein Blick glasig wurde, weil er einen Moment lang vergaß, durch seine Augen zu sehen. Das Schiff, das spürte, wie seine Konzentration nachließ, verlor an Fahrt. Der Bug senkte sich, das Heck hob sich, und die Wellen bemächtigten sich seiner mit ihrem schaukelnden Rhythmus.
    »Was ist?«,

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