Acacia 02 - Die fernen Lande
wärst du darin genauso gut wie als Pirat und Saboteur.« Sie hatte es ihm tatsächlich mehrere Male vorschlagen müssen, ehe die Saat in ihm schließlich gekeimt war und Wurzeln geschlagen hatte. Die wundervolle, stille Wren, die auf mehr als eine Weise überaus scharfsinnig war.
Als er Corinn vorgeschlagen hatte, sich um den Wiederaufbau zu kümmern, war sie sehr entgegenkommend gewesen. Mit ihrem Segen machte er sich an eine Arbeit, die seinen Körper und seine Seele voll und ganz in Anspruch nahm. Wie Wren es angeregt hatte, baute er. Mit einer kleinen Armee aus Vermessern, Ingenieuren, Architekten, Historikern, und Arbeitern traf er in Killintich ein. Die einst so stolze Hauptstadt von Aushenia war seit der Invasion durch die Numrek vernachlässigt worden und hatte schwer gelitten. Nun machte Dariel sich daran, die beschädigte Stadt Stein um Stein wieder aufzubauen. Er schuftete Seite an Seite mit den Tagelöhnern, grub Gräben, stapfte durch schlammige Kanäle, hievte Lasten auf seinen Rücken. Diese Plackerei war ganz anders als alles, was er jemals getan hatte – und er genoss sie. Das alles mochte nichts weiter sein als ein Versuch, sich zu beschäftigen, doch er hoffte, dass es mehr war und dass er aus den richtigen Gründen etwas Gutes tat. Es war ihm wichtig, dass es so war.
Er beschrieb Corinn die kleinen Augenblicke, die er nie wieder vergessen würde. Wie viel Freude es ihm gemacht hatte, mit Dorfbewohnern am Feuer zu sitzen und Eintopf aus hölzernen Schüsseln zu essen und dabei über das Wetter und das Getreide auf den Feldern zu sprechen. Er liebte die Müdigkeit, mit der er sich jeden Abend schlafen legte, glücklich, dass er nichts gestohlen, niemanden getötet und nicht geplant hatte, irgendetwas zu zerstören. Er genoss es, auf Strohmatratzen zu schlafen und den Scheunenkatzen bei der Mäusejagd zuzusehen und – wie einmal in einem Dorf unweit der Gradthischen Gebirgskette – dem Gespräch zweier Eulen in der Nacht zu lauschen. Auf der Straße außerhalb von Careven hatte ein blonder Junge ihm eine Krone aus Grashalmen geschenkt. Bei einer Gedenkzeremonie im Aushenguk-Moor war eine alte Frau leise von hinten an ihn herangetreten. Ohne ein Wort zu sagen, hatte sie ihre flache Brust an seinen Rücken gepresst, die dürren Arme um seinen Oberkörper geschlungen und sich an ihm festgeklammert. »Sie hat überhaupt nichts gewogen«, sagte er, »sie war leicht wie ein Vogel.« Die Greisin hatte kein Wort gesagt, aber er war sicher, dass es eine Dankesgeste gewesen war.
»So sollte es auch sein «, sagte Corinn. »Ich weiß nicht, ob es in den Generationen der Akaran-Herrschaft jemals ein ähnliches Unterfangen gegeben hat. Es heißt, du hast uns einen großen Dienst erwiesen. Die Leute sprechen Gutes von dir. Ich habe von dir gelernt, Bruder.«
Dariel trank einen großen Schluck Wein, genug, um die ersten Gedanken hinunterzuspülen, die ihm bei ihren Worten durch den Kopf schossen. Sie dachte immer zuallererst an Herrschaft und Ansehen und die Geschicke des Reiches. Vielleicht musste sie das als Königin tun, doch er wollte, dass man sich angesichts des Guten, das er tat, an die Menschen erinnerte, denen er diente, nicht an den Namen der Akarans.
»Es gibt immer noch sehr viel zu tun«, sagte er. »Ich weiß kaum, was ich als Nächstes anfangen soll. Es muss doch eine Möglichkeit geben, die Dürre in Talay zu bekämpfen. Und ich weiß, dass es sich bestimmt zunächst wie eine seltsame Idee anhört, aber wir müssen die Festländer dazu bringen, neue Bäume zu pflanzen, um diejenigen zu ersetzen, die sie im Wald von Eilavan gefällt haben. Auf dem Weg nach Aos bin ich daran vorbeigekommen und habe meilenweit nur Stümpfe und Farnkraut gesehen; das ist eigentlich gar kein Wald mehr.« Er hielt nur deshalb inne, weil etwas in Corinnes geduldigem Blick darauf hindeutete, dass sie ihn bei Laune hielt, dass sie etwas sagen wollte, ihn aber zuerst noch ein bisschen weiterplaudern ließ. »Was ist?«
»Ich habe etwas gehört, was mir nicht gefällt, Dariel. Du hast dich kritisch über meine Politik geäußert.«
Unwillkürlich fühlte Dariel, wie eine kalte Hand nach seinem Herz griff. Er spürte seinen plötzlich heftigen Puls in den Handflächen. Es war absurd. Sie war seine Schwester! Hier gab es keine Gefahr, auch wenn sein Körper das zu glauben schien. »Das stimmt nicht«, erwiderte er. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
»König Grae hat sich bei dir über unsere Besteuerung der
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