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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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weiterzuentwickeln, dass man sie tagsüber oder nachts zu sich nehmen konnte und sie keinerlei Auswirkungen auf die Fähigkeit eines Menschen hatte, zu arbeiten, zu schlafen oder sich fortzupflanzen. Es hatte sich als schwierig erwiesen, die Droge in einer Flüssigkeit aufzulösen, noch dazu in einer, die sich nicht mit der Zeit zersetzte. Das war ihnen wichtig, weil sie überzeugt waren, dass die Droge nicht geraucht werden sollte. Sie sollte in keiner Weise an Nebel erinnern. Dieses Mal, mahnten sie, sollte sie als Getränk konsumiert werden, ein Getränk wie … Wein. Auf Prios wurde schon lange Wein angebaut. Mit Corinns Erlaubnis und unter der Aufsicht der Gilde waren die Anbauflächen ausgeweitet worden, bis sie schließlich den größten Teil der Insel bedeckten. Das Ergebnis war endlich dieser Prios-Jahrgang, ein Wein, in den eine bestimmte Menge der Droge gemischt wurde, ehe er in Flaschen abgefüllt wurde.
    »Wenn man die Testpersonen beobachtet«, sagte Paddel, »möchte man am liebsten jede Vernunft über Bord werfen und sich zu ihnen gesellen.« Er beugte sich vor; Schweißperlen schimmerten an seinem tätowierten Haaransatz. »Der Wein … er ist nicht grandios. Er ist nicht unvorhersagbar wie Nebel. Er ergreift nicht so vollständig Besitz von einem. Stattdessen spürt man, wenn man den ersten Schluck getrunken hat, das Summen einer sanften Glückseligkeit, ein anhaltendes, erwartungsvolles Glücksgefühl. Wenn sie den Wein getrunken haben, sind sie überzeugt, dass gleich etwas Wunderbares geschehen wird. Und zwar immer, dass es gleich geschehen wird. Wenn der Wein richtig dosiert wird, lässt das Gefühl niemals nach. Sie fragen sich nie, warum dieses Wunderbare nicht geschehen ist; sie wissen nur, dass es geschehen wird. Sehr bald. Immer sehr bald.«
    »Und trotzdem arbeiten sie noch?«
    Heftiges Nicken. »Oh ja. Natürlich tun sie das. Warum auch nicht? Das Gefühl ist wunderbar, also warum nicht noch ein paar Stunden Steine klopfen oder was auch immer ihre Arbeit ist?«
    Corinn warf Rhrenna, der einzigen anderen Person im Zimmer, einen Blick zu. Die schmalen Gesichtszüge wurden dem scharfen Verstand dahinter nicht gerecht, doch gerade das mochte Corinn an ihr. Dank ihrer sommersprossigen Haut, einem typischen Merkmal der Mein, und den blassblauen Augen konnte sie in den meisten Räumen sitzen, ohne mehr Aufmerksamkeit auf sich zu lenken als eine normale Dienstmagd. Doch sie war viel mehr. »Und wenn sie die Droge nicht bekommen?«, fragte sie.
    »Auch das ist meisterhaft gelöst«, beteuerte Paddel an die Königin gewandt, als hätte sie die Frage gestellt. »Wenn wir die Droge zurückhalten, spüren die Menschen nur ein leichtes Unbehagen, etwa ein schwaches Hungergefühl oder ein Frösteln. Und was tut man, wenn man hungrig ist?« Der Winzer machte eine Pause und grinste. »Man isst! Was tut man gegen ein Frösteln? Man zieht einen Mantel an. Niemand denkt ›Wieso bin ich diesem Hungergefühl ausgeliefert?‹ oder ›Verdammt soll dieses Frösteln sein, ich kämpfe dagegen an!‹ Nein, sie tun das, was man normalerweise tut, Euer Majestät. Das Gleiche gilt für den Wein. Bei unseren Versuchen begreifen die Prüflinge noch nicht einmal, dass sie nach dem Wein lechzen. Sie würden alles tun, um ihn zu bekommen, aber sie wissen gar nicht, dass sie ihn haben wollen. Und ich meine wirklich alles …«
    Corinn sah , wie er bei der Erinnerung an dieses alles die Fingerspitzen gegen die Daumen rieb. »Was ist mit unserem Militär? Werden unsere eigenen Soldaten keine Lust mehr zum Kämpfen haben, wenn sie dieses Zeug trinken? Werden sie friedlich werden?«
    »Ganz und gar nicht. Sie werden sich siegesgewiss in die Schlacht stürzen. Ihr müsst verstehen, der Wein – oh, wie soll ich es sagen …« Paddel legte das ganze Gesicht in Falten, während er nach den richtigen Worten suchte. »Sie sehen die Welt mit vergoldeten Glanzlichtern, oh ja, aber sie sehen immer noch die Welt. Sie leben nach wie vor ihr alltägliches Leben und tun weiterhin ihre Pflicht. Tatsächlich sogar noch besser! Ihr, meine Königin, werdet über ein Reich voll glücklicher Untertanen herrschen. Sie werden tun, was auch immer Ihr wünscht, und sie werden ihr Leben nie als das sehen, was es ist – vollständige und allumfassende Plackerei!«
    »Und wie kontrollieren wir das Ganze?«, fragte Rhrenna. »In weiten Teilen des Reiches wird Wein getrunken. Sogar Kinder trinken gewässerten Wein. Wie kontrollieren wir, wer unter

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