Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
übertragen werden, hören sich
schlimmer und schlimmer an. Positiv schlägt aus, dass Amber
unglaublich reich ist: Der ideelle, zukunftsorientierte
Geschäftswert ihrer Unternehmungen, den die Reputation ihres
Vaters verbürgt, zieht nach sich, dass sich Menschen für
sie krumm legen und alles Mögliche für sie tun.
Außerdem besitzt sie sehr viel Grundeigentum: hundert
Gigatonnen von Felsgestein in der niedrigen Umlaufbahn des Jupiters,
die genügend Energie liefern, um das nördliche Europa ein
Jahrhundert lang mit Elektrizität zu versorgen. Doch ihr
interstellarer Vorstoß verzehrt auch jede Menge Geld; sie gibt
es sowohl auf die traditionelle Tour, »hintenrum«, für
Kompensationsgeschäfte aus als auch für kreativere, moderne
Handelsabkommen. Das Geld verschwindet so schnell, als stapele man
die grünen Scheinchen aufeinander, schaufle den Haufen auf ein
Förderband und speise damit einen aktivierten Raketenantrieb.
Nervend ist allein schon die Arbeit, sich die Umweltschützer vom
Leib zu halten, die dagegen protestieren, dass an der Umlaufbahn
eines kleinen Jupitermondes herumgepfuscht wird. Davon abgesehen, ist
auch eine ganze Gruppe nationalstaatlicher Regierungen aufgewacht und
bemüht sich derzeit, durch gewisse Gesetze an Teile des Kuchens
heranzukommen. Bislang hat noch niemand eine gewaltsame
Übernahme versucht (im Ring-Imperium sind zweihundert Gigawatt
Laserenergie verankert; außerdem nimmt Amber ihre Rolle als
Staatsoberhaupt ernst, sie hat sich sogar für einen Sitz in den
Vereinten Nationen und eine Mitgliedschaft in der EC beworben), doch
die lästigen Klagen häufen sich so, dass sie einer
umfassenden denial-of-service- Attackeim Netz gleichkommen,
die Amber lahm legen und handlungsunfähig machen soll. Der
Effekt ist derselbe wie bei wirtschaftlichen Sanktionen. Und es hat
die Lage auch nicht gerade erleichtert, dass sich Onkel Gianni in den
Ruhestand zurückgezogen hat.
    »Kannst du irgendwas dazu sagen?«
    »Mmh.« Ang wirkt irgendwie gereizt. »Abwarten und
Tee trinken. Sie werden den Puffer in zwei Tagen verlassen.
Vielleicht dauert’s bei diesem Rechtanwalt auch ein bisschen
länger. Der hat ein riesiges Info-Paket dabei. Vermutlich wieder
mal ’ne Musterklage wegen Diskriminierung halb-intelligenter
Wesen.«
    »Darauf würde ich wetten. Die lernen nie dazu,
wie?«
    »In welcher Hinsicht? Meinst du unser Rechtssystem?«
    »Tja.« Pierre nickt. »War ein schlauer Schachzug
von Amber, das schottische Recht des elften Jahrhunderts wieder
auszugraben und zu aktualisieren – einschließlich der
neuen Möglichkeiten, gegen schikanöses Dauerprozessieren
vorzugehen. Nimm zum Beispiel das Austragen juristischer Fehden durch
Zweikampf. Oder die Compurgation, bei der die Gemeinschaft mit
einem Eid für die Unschuld des Angeklagten bürgen
muss.« Er verzieht das Gesicht und schickt gleich darauf ein
paar Agenten los, um Ausschau nach den Neuankömmlingen zu
halten. Danach wendet er sich wieder der Reparatur der Segel zu. Das
interstellare Medium ist voller Abrieb und Staub. Und jedes Staubkorn
hat bei dieser Geschwindigkeit die Einschlagskraft einer Granate,
sodass sich das Laser-Segel ständig aufzulösen droht. Bei
diesem Antriebssystem besteht ein großer Teil der Masse aus
silbernen Nano-Flicken, die dazu dienen, die seifenblasendünne
Außenhülle zu reparieren oder zu ersetzen, sobald sie
Risse aufweist. Es erfordert große Geschicklichkeit
auszutüfteln, wie man die Flicken am besten dorthin schleust, wo
sie gebraucht werden, und dabei gleichzeitig die Spannung in den
Aufhängungen der Segel zu minimieren, ihr Mitschwingen zu
verhindern und gleichmäßige Schubkraft
sicherzustellen.
    Während er die Flicken-Bots programmiert, grübelt er
über die hasserfüllte Mail seines älteren Bruders nach
(der ihn immer noch für den Unfall ihres Vaters verantwortlich
macht), über Sadeqs religiöse Verfügungen (abergläubischer Quatsch, denkt er), über den
Wankelmut einflussreicher Frauen und die bodenlosen Abgründe
seiner neunzehnjährigen Seele.
    Währenddessen hat Ang ihre Aufgaben offenbar erledigt und
verschwindet schlagartig. Sie macht sich nicht einmal die Mühe,
die Tür aus glänzendem Mahagoni im hinteren Teil der
Brücke zu benutzen, sondern löst sich einfach auf, um an
einem anderen Ort zu rematerialisieren. Er fragt sich, ob sie
verärgert ist, und blickt auf. Genau in diesem Moment fügt
der erste der ausgeschickten Agenten ein Teilchen in Pierres Karte
der Erinnerungen ein,

Weitere Kostenlose Bücher