Accra: Roman (German Edition)
Reißverschluss hochzog.
Flash nickte Comfort zu und folgte ihr mit den Augen, als sie mit ihrem Kunden hineinging.
Hinterher überlegte Comfort, dass sie zu wenig verdient hatte. Bei zwei fünfzig minus Gebühr für das Zelt blieb ihr nicht viel. Außerdem fielen die ersten Tropfen, sodass die Aussichten noch mieser wurden. Sie machte sich auf den Weg zum Nkrumah Circle, um noch ein paar Kunden zu finden. Es war ein weiter Weg, aber dort konnte sie mehr verlangen als auf dem Holzmarkt.
Bis es dunkel wurde, goss es in Strömen. Comfort stellte sich kurz unter dem Dach eines Kiosks unter. Schon bald hielt ein Lieferwagen vor ihr. Sie sah durchs Beifahrerfenster. Der Mann drinnen nickte ihr zu, und Comfort stieg ein. Er fuhr los. Durchnässt wie sie war, freute sie sich, im Trockenen zu sitzen.
»Wie viel?«, fragte er sie.
»Fünfzehn.«
»Zehn.«
»Zwölf.«
Der Mann nickte. »Okay.«
Während der Fahrt durchs Industriegebiet reichte er ihr einHandtuch, damit sie sich Gesicht und Hals abtrocknen konnte. Hinter einer Schule beim Awudome Circle bog er in eine verlassene Seitenstraße.
»Geh nach hinten«, sagte er.
Er kam zu ihr in den Laderaum und legte sich mit ihr auf ein Laken, das er dort ausgebreitet hatte. Regen trommelte aufs Blechdach. Von einer Laterne an dem Gebäude fiel etwas Licht durch die Windschutzscheibe hinein. Als er sich über sie beugte und ihre Beine spreizte, sah sie, dass er eine merkwürdige Narbe hatte. Sie verlief von seinem Oberkopf die Stirn hinunter. Seine Augen waren unruhig und kalt. Comfort fröstelte.
»Wo kommst du her?«, fragte er.
»Juaso. Volta Region.«
Er streifte sich ein Kondom über, was sie wunderte.
»Wieso bist du nach Accra gekommen?«
»Um Geld zu verdienen.«
»Hat dich dein Vater in Juaso geschlagen?«
Noch eine Überraschung. Woher wusste er das?
»Ja«, flüsterte sie und bewegte sich so, dass er in sie eindringen konnte.
»Er hat dich übel verdroschen.«
»Ja«, wimmerte sie.
»Weil du ein ungezogenes Mädchen warst?«
Sie verstand nicht, was er da redete.
»Sag schon. ›Ich bin ein ungezogenes Mädchen.‹«
»Ich bin ein ungezogenes Mädchen.«
Er wurde schneller, befahl ihr aber, es wieder und wieder zu sagen. Auf einmal packte er grob ihr Handgelenk und zog ihre Hand zu seiner Stirn, wo die Narbe war.
»Fass sie an«, keuchte er. » Fass sie an! «
Die Narbe fühlte sich fest an, aber gleichzeitig beweglich wie Würmer in einem Beutel. Comfort riss ihre Hand weg, als der Mann mit einem heiseren Stöhnen kam.
»Wo schläfst du?«, fragte er, als sie wieder losfuhren.
»Auf dem Bahnhof.«
»Ich bringe dich hin. Und ich will nicht, dass du deinen Körper an irgendjemand anderen verkaufst.«
Das war das Seltsamste, was je ein Mann zu ihr gesagt hatte.
Als er sie absetzte, sagte er: »Ich komme zurück zu dir.«
Sie war nicht sicher, was er damit meinte.
Um sieben Uhr am Montagabend trottete Ebenezer durchnässt den letzten Kilometer zur Bahnstation nahe der Kwame Nkrumah Avenue. Wie jeder, der auf der Straße lebte, hasste er den Regen und den Schmutz, den dieser anrichtete. Seinen Schuhputzkasten hatte er sich über die rechte Schulter gehängt, und die Bürsten und Dosen mit Schuhcreme darin klapperten beruhigend. Vor über einem Jahr, als er vierzehn gewesen war und endlich genug Geld als Müllträger gespart hatte, hatte er sich eine Schuhputzausrüstung gekauft. Zwei Wochen später stahl sie ihm ein anderer Straßenjunge, während Ebenezer schlief. Das war so schrecklich und gemein gewesen, dass er geweint hatte. Nicht vor den anderen, nein, aber auf der Grubenlatrine hatte er sich hingekauert und geweint.
Jenes Erlebnis hatte ihn abgehärtet. Heute ließ sich der sehnige, drahtige Ebenezer von keinem mehr etwas gefallen. Ein anderer Dieb hatte versucht, ihm die zweite Schuhputzkiste zu stehlen, die er jetzt besaß. Da hatte Ebenezer ihn so heftig verprügelt, dass der andere um sein Leben bettelte.
Und nun sah es tatsächlich besser für ihn aus. Ebenezer war der Boss an seiner Schuhputzerecke in Lartebiokorshie. Drei andere Jungen hatte er unter sich, die ihm einen Teil ihres Verdienstes abgaben, um seine Ausrüstung benutzen zu dürfen.
Seine Füße taten weh. Den Tag über waren sie voller Staub, und der Regen verwandelte den Staub in eine schmirgelnde rote Schlammkruste, die ihm bei jeder Bewegung zusetzte. Während er einen Fuß vor den anderen setzte, redete er sich ein,der Schmerz wäre gar nicht da. Nicht mal
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