Accra: Roman (German Edition)
aber die Älteste sagt, dass sie zurück nach Ghana kommt. Der Doctor wäre überglücklich, wenn sie zu ihm zieht.«
»Er ist einsam.«
»Oh ja, sehr einsam. Wenn seine Kinder ihn besuchen kommen und die Älteste die Enkelkinder mitbringt, ist er so glücklich.« Obi lachte, als würde er die Freude seines Chefs mitempfinden.
Der angekündigte Regen setzte ein. Dawson bat Obi, sein Motorrad zu einer Werkstatt in Asylum Down zu fahren. Sobald sie es dort abgeladen hatten, bestand Dawson darauf, sichein Taxi zu nehmen, obwohl Obi mehrfach anbot, ihn nach Hause zu bringen.
»Sie haben wirklich schon mehr als genug getan, mein Freund. Danke.«
Er gab Obi ein großzügiges Trinkgeld.
19
Comfort Maham war sechzehn. Ihr Teint hatte einen allseits begehrten kupferbraunen Ton, und ihre schmale Taille ging in einen runden Hintern über, der die Männer verrückt machte. Am späten Montagnachmittag machte sie sich auf den Weg zum Holzmarkt, wo sie auf Freier wartete.
Die meiste Zeit arbeitete sie als Trägerin auf dem Agbogbloshie-Markt weiter die Straße hinauf, wo sie halsbrecherische Warenladungen für andere schleppte. Aber die Bezahlung reichte nicht. Comfort fand, sie tat nur, was sie tun musste, um zu überleben. Für eine Ashawo gab es kein Richtig oder Falsch, kein Gut oder Böse.
Sie blickte hinauf, wo sich Gewitterwolken zusammenbrauten. Regen ruinierte ihr das Geschäft. Ihr Blick wanderte träge über den belebten Markt, wo Leute über Preise für Sperrholz oder Farben verhandelten, eine Frau Kräuterzubereitungen an einem der Fetischstände aussuchte und sich Träger mit Karren voller Holzbalken durchs Gedränge kämpften. Einer von ihnen, ein ungefähr siebzehnjähriger Junge in abgerissenen Sachen, kam zu ihr, nachdem er seine Ladung abgeliefert hatte, und bot ihr fünfzig Pesewas an.
Sie schüttelte den Kopf. Das musste wohl ein Scherz sein.
Der Junge beschimpfte sie unflätig und zog weiter. Comfort warf verächtlich den Kopf in den Nacken und streckte ihm die Zunge raus, was er nicht mehr sah.
Einige Meter entfernt stritten sich zwei Karrenjungen, wer von ihnen eine Fuhre Sperrholz transportieren durfte. Niemand schien ihr Gezanke beenden zu wollen; im Gegenteil. Es bildete sich bereits eine kleine Ansammlung von Zuschauern. Einer der Jungen war viel größer als der anderen und prügelte auf den Schwächeren ein. Nach einigen Minuten bettelte der Unterlegene um Gnade, rappelte sich wieder auf und hinkte zerschunden davon.
Comfort wandte sich ab. Diese Kämpfe waren bloß deshalb unterhaltsam, weil es sonst nichts zu sehen gab. Sie verlagerte ihr Gewicht ein wenig, weil das Brennen zwischen ihren Schenkeln unangenehm war. Seit einer Weile nahm sie eine Medizin vom Fetischmarkt, aber die wirkte nicht richtig. Der gelbliche Ausfluss blieb. Jemand pfiff leise und winkte sie heran. Sie schlenderte zu ihm hinüber. Er war um die neunzehn, schätzte sie, und sah nicht schlecht aus.
»Ich mag dich«, sagte er. Beim Grinsen entblößte er eine Zahnlücke, die ihm gut stand.
»Vier Cedis.«
»Ach, das ist zu viel!«
»Wie viel willst du bezahlen?«
»Eins fünfzig.«
Sie feilschten, bis sie sich auf zweifünfzig geeinigt hatten, und spazierten los. Die Abstände zwischen den Händlern vergrößerten sich. Schließlich kamen sie zu einem Zelt, das an einer Hauswand befestigt war. Vor dem Eingang stand ein hagerer Mann, den alle nur Flash nannten. Er war vielleicht in den Zwanzigern, sah jedoch aus wie vierzig. Flash trug eine orangefarbene Hose und ein grellblaues Hemd, das fast bis zum Nabel offen stand. Comfort fragte sich, wo er diese lächerliche Kleidung auftrieb. Keiner zog sich so an.
Zelt und Haus gehörten einem jungen Kerl namens Tedamm, den jeder hier kannte. Flash kassierte die Gebühren von den Ashawos, die das Zelt benutzten, wovon er wiederum einen Großteil an Tedamm zahlte.
Comfort gab ihm ihre fünfundsiebzig Pesewas, die Flash ansah, als wären sie gar kein Geld.
»Da fehlen noch fünfzehn Pesewas«, sagte er.
» Ho! «, rief sie aus. »Aber letztes Mal hast du fünfundsiebzig genommen.«
»Ist teurer geworden.«
Mürrisch zahlte Comfort den Rest.
»Dauert nicht lange«, sagte Flash.
Sie ignorierte ihn, während er sie unverhohlen anstarrte, als sie dastanden und warteten. Sie hasste den Kerl. Alle drei lauschten darauf, dass das gedämpfte Stöhnen im Zelt verstummte. Mit vollkommen ausdrucksloser Miene kam das Mädchen zuerst heraus, dann der Mann, der seinen
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