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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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VW-Scirocco mit Dortmunder Kennzeichen. Hinter den leicht verdunkelten Fensterscheiben glühten zwei Zigaretten auf.
    »Presse?«, fragte Klemm.
    »Glaube ich nicht«, meinte Hardenberg, als er den Vectra startete. »Dann wären die zu uns hochgekommen. Wahrscheinlich nur zwei Typen, die ein paar Studentinnen aufreißen wollen.«
    »Studentinnen? Warte mal! Die Eingänge zu den Studentenheimen liegen doch da drüben.«
    Seufzend stellte Hardenberg den Motor wieder ab, als Klemm auf den roten Sportwagen zulief und an die Scheibe klopfte. Hardenberg sah noch, dass sie ihren Dienstausweis ans Fenster hielt – und dann schoss der Scirocco plötzlich davon und jagte auf die Ausfahrt zu.
    Hardenberg drehte sofort wieder den Zündschlüssel, fuhr näher an die Kollegin heran und startete durch, noch bevor sie die Tür geschlossen hatte.
    »Kennzeichen?«
    »Dortmund Ida eins acht eins!«
    An der Ausfahrt wandte sich der Verfolgte nach links, den Auffahrten der Universitätsstraße zu, die hier wie eine Autobahn ausgebaut war. An der ersten Kreuzung stand die Ampel auf Rot, aber der Scirocco ignorierte das Signal und flüchtete in Richtung Innenstadt.
    »Blaulicht!«, kommandierte Hardenberg. »Und dann Fahndung!«
    Der Scirocco war verdammt schnell, aber ihr Dienstwagen hatte auch einiges unter der Haube. Hardenberg begann bereits abzuschätzen, wann sie den Flitzer eingeholt hatten, da bog dieser mit kreischenden Reifen in Richtung Markstraße ab.
    »Hacke!«, schrie Hardenberg und trat eine Sekunde zu spät auf die Bremse. Die Ausfahrt rauschte an ihnen vorbei, doch mit einem eleganten Powerslide kamen sie, den Kühler gegen die Fahrtrichtung gerichtet, vor der Zufahrt zum Stehen.
    »Aufpassen!«, schrie Klemm, aber Hardenberg gab Gas und spielte für fünfzig Meter Geisterfahrer, um die Flüchtenden nicht aus den Augen zu verlieren. Die Hecklichter des Scirocco verschwanden gerade nach rechts, tauchten unter der Unistraße durch und fuhren auf der anderen Seite wieder hoch – zurück in Richtung Universität. Zwei scharfe Kurven, in denen Klemm Mühe hatte, sich aufrecht in ihrem Sitz zu halten. Dann erst konnte sie ihren Spruch zur Leitstelle abgeben: »Zielfahrzeug fährt jetzt in Richtung Langendreer. Kann jemand die Autobahnauffahrt sperren?«
    Als hätte der Pilot des Scirocco die Durchsage gehört, schlug er einen weiteren Haken. Die Hecklichter des Roten verschwanden in dem Tunnel, der unter die Ruhr-Uni führte.
    »Jetzt kriegen wir ihn!«, brüllte Hardenberg und setzte nach.
    Hier wurde die Strecke gespenstisch: ein langes Betonflöz mit Abfahrten nach links und rechts, immer wieder ebene Abschnitte, die als Sprungschanze dienten, bevor der Wagen auf die nächste Senke krachte. Für zehn oder zwanzig Sekunden fühlte sich Klemm an Steve McQueen’s berühmte Raserei durch Frisco erinnert, aber der Ami hatte zweifellos die schönere Aussicht gehabt.
    »Aufpassen!«, schrie Klemm Hardenberg zu, als das Ende des Tunnels auf sie zuraste. »Da unten wird es eng!«
    Der Fahrer des Scirocco kannte sich jedenfalls aus: Kurzer, harter Stopp mit rauchenden Reifen, und eine Sekunde später zischte er schon auf der Gegenfahrbahn bergauf. Klemm war einen Moment lang versucht, die Pistole zu ziehen, musste sich aber am Armaturenbrett abstützen: Hardenberg bremste, der Vectra schlingerte, rutschte rückwärts gegen einen Bordstein, wurde von den gequälten Reifen hochgeworfen und krachte mit dem Heck gegen einen Betonpfeiler.
    »Scheiße, verdammte!«, schrie der Polizist und gab wieder Gas. Das geschundene Gummi heulte auf, irgendwo hinten ratschte es heftig, etwas Blechernes schepperte auf die Fahrbahn. Kaum hatte der Wagen sich von seiner hinteren Stoßstange getrennt, schleuderte er nach rechts. Erneutes Krachen, die ganze Kiste wankte, kam scheinbar wieder auf die Beine, sie senkte sich dann endgültig schräg nach hinten, wo soeben noch das rechte Hinterrad gesessen hatte.
    Fluchend sprangen sie aus dem Wagen und starrten dem Scirocco hinterher.

Dienstag
    15
    »Gut geschlafen?«, fragte Karin, als Mager endlich in der Küche erschien und sich grußlos einen Pott Kaffee eingoss.
    »Wie meinst du das?«, fragte er misstrauisch. Er war ungewaschen und ungekämmt und steckte noch in demselben durchgeschwitzten T-Shirt, das er am Tag zuvor getragen hatte. Nach Karins Zurückweisung am Abend hatte er die Nacht aus Protest auf der Wohnzimmercouch verbracht.
    Eingeschlafen war er aber erst, als die ARD um kurz nach vier auf

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