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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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war. »Und nimmst mich nicht mit?« Lunau hatte den Kopf geschüttelt. »Ich dachte, wir wären Freunde«, meinte der Kleine aus Mali. »Sind wir auch«, hatte Lunau geantwortet. Ein halbes Jahr später war Sami tot, und Lunau bekam den Ehrenpreis von »Reporter ohne Grenzen« für seine Dokumentation über Kindersklaven auf den Kakaoplantagen.
    »Ehrlich gesagt, bin ich kein Spezialist für Vogelstimmen.«
    »Wollen Sie lieber Steißfüße, Entenvögel oder Reiher?«
    Lunau zuckte mit den Schultern.
    »Irgendetwas Ausgefallenes.«
    Di Natale grinste.
    »Dann lassen Sie mich mal machen.«
    Di Natale ging in die Kajüte und wechselte ein paar Wortemit Rabuffo. Der kam mit zwei Paddeln, die beiden setzten sich in das Heck des Bootes und fingen vorsichtig zu rudern an. Lunau stellte den Aufnahmepegel höher.
    Der Bug schob sich in einen Schilfgürtel, in dem dicke Hummeln brummten und abertausend scharfkantige Blätter im Wind aneinander rieben und ein bizarres Geräusch verursachten. Mit trockenem Knacken brach das Schilfrohr unter dem Druck des Bootsrumpfes. Di Natale stach mit dem Paddel ins Wasser und bremste das Boot. Dann deutete er auf eine Stelle im Dickicht.
    »Näher können wir nicht ranfahren. Er brütet.«
    Lunau sah und hörte nichts.
    »Sagenhaft, oder?«
    »Er singt nicht.«
    »Wir müssen warten.«
    Sie warteten eine Dreiviertelstunde. Man sah mehrmals einen beige-gescheckten kleinen Vogel wegfliegen und zurückkehren.
    »Das ist das Männchen,« sagte Di Natale.
    Lunau drehte den Pegel noch höher, aber der Vogel schwieg.
    Di Natale schaute auf die Uhr. »Ich muss los.«
    »Können Sie mich nicht hier auf dem Boot lassen?«, fragte Lunau.
    »Rabuffo muss reinfahren. Wir versuchen es morgen noch einmal. Dann nehmen wir mein Kajak.«
    Sie ließen sich an Land bringen und verabschiedeten sich von Serse.
    »Einen Moment«, sagte Lunau, und Di Natale wurde sichtlich nervös. Lunau spielte Serse das merkwürdige Geklingel vor, aber dieser schüttelte nur den Kopf. Sie stiegen in den Wagen. Di Natale startete den Motor, schoss los und schaltete hektisch durch die Gänge. Er jagte über die enge Deichstraße und plauderte vergnügt, während Lunau sich immer fragte, was wohl hinter der nächsten Kurve kommen würde. Das Gras auf der Deichkronestand so hoch, dass man nur eine grüne Wand sah, aus der hin und wieder Gegenverkehr kam. Fünfzig Stundenkilometer durfte man fahren, hundert fuhr Di Natale.
    »Gibt es einen Grund für Ihre blendende Laune?«, fragte Lunau.
    Di Natale ließ den Arm durch die Landschaft rudern.
    »Ist das nicht Grund genug?« Er zwinkerte mit einem Auge und lachte.
12
    Silvia stand am Spielfeldrand und schaute zu, wie Mirko dem Ball nachjagte, den ein Teamgefährte in den freien Raum gespielt hatte. Der Trainer hatte überzogen, in zehn Minuten musste Silvia in der Ballettschule sein, wo Sara wartete. »Golden Goal«, hatte der Trainer gesagt, und da konnte Silvia ihrem Sohn nicht die Schmach antun, ihn im entscheidenden Moment vom Feld zu holen. Mirko hatte die gegnerischen Verteidiger hinter sich gelassen und stürmte allein aufs Tor zu. Er nahm den Ball an und führte ihn locker und elegant mit dem Außenrist, der Torwart kam aus dem Kasten und sprang Mirko mit beiden Beinen entgegen. Der gertenschlanke Mirko verwandelte sich in ein Knäuel, das sich kurz in die Luft erhob und dann in die Grasnarbe einschlug, während der Ball zur Seite spritzte. Silvia unterdrückte einen Schrei, aber Mirko stand schon wieder. Ein paar Zweikämpfe, ein Doppelpass in Gegenrichtung. Da war es endlich, das »Golden Goal«, zwar nicht für Mirkos Mannschaft, aber Silvia war das egal. Sie zerrte ihren Sohn aus der Traube, die sich gebildet hatte. »Das war doch ein klares Foul, verdammt«, schrie jemand. Fünf Minuten später sah sie Mirkos wütendes Gesicht im Rückspiegel. »Du weißt, dass Sara wartet«, sagte Silvia.
    Sie jagte über die schmale Straße auf den Verkehrskreisel zu, dann an der Stadtmauer entlang. Diese idiotische Mauer, dachte sie. Zweieinhalb Kilometer Umweg, nur um ein Stadttor zu finden. Seit fünfhundert Jahren musste man ein Bollwerk überwinden, das die Republik Venedig, die Serenissima , von einer Invasion abhalten sollte. Wie stolz sie auf ihre Mauer sind, die Ferrareser, dachte sie, andere Städte haben Opernhäuser oder den Eiffelturm, Kathedralen voller Kunstschätze oder Haute-Cuisine, wir haben eine Mauer. Wir sind stolz auf unsere Beschränktheit.
    Die Ballettlehrerin

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