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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Wahrheit.«
    »Haben Sie einen Beweis für Ihre Behauptungen?«
    »Haben Sie Beweise, dass Pirri es war?«
    »Er hat Kampfspuren am Körper.«
    »Ein paar Kratzer kann er sich auch bei seiner Flucht durchdie Wildnis zugezogen haben. Pirri hat Di Natale nicht beraubt. Die 20 000 Euro für die Anmeldung zum Pokerturnier hat er durch den Verkauf seiner Autos bekommen.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Es gibt Fotos.«
    »Selbst wenn. Das beweist gar nichts. Pirri hat Schulden ohne Ende.«
    »Er sieht einen Aktenkoffer voller Geld vor sich, nimmt dann aber nur einen Bruchteil davon und klappert am nächsten Tag brav alle Gebrauchtwagenhändler der Stadt ab? Und das, nachdem er, wie Sie meinen, aus Habgier seinen besten Freund umgebracht hat?«
    »Wir haben das Geld nicht gefunden. Er hat wahrscheinlich alles genommen.«
    »Warum sollte er dann behaupten, es waren nur zwanzigtausend?«
    »Aus Scham. Womöglich haben die Geldeintreiber ihn noch in der Nacht abgefangen, haben ihn um den Koffer erleichtert, und dann musste er am nächsten Tag erneut die Summe für das Pokerturnier auftreiben.«
    Das war natürlich denkbar. Lunau musste scharf bremsen, weil er ein Stoppschild zu spät gesehen hatte.
    »Ich habe jetzt keine Zeit«, sagte Balboni. »Sie können mich morgen auf der Dienststelle anrufen.«
    »Pirris Geschichte stimmt hinten und vorne nicht. Er streitet sich mit Di Natale, und bei diesem Streit fährt er, wie er sagt, kreuz und quer in der Gegend herum. Welchen Sinn sollte das haben? Versetzen Sie sich einmal in seine Lage. Sie haben einen heftigen Streit. Dabei sitzen Sie zufällig am Steuer Ihres Autos, aber ein Ziel haben Sie nicht. Sie müssen nirgendwohin. Bei dem Streit geht es um Ihre Existenz, Ihr bester Freund lässt Sie hängen. Würden Sie dann weiter blind in der Gegend herumkurven, einenUnfall riskieren? Würden Sie, weil Sie durch den Straßenverkehr abgelenkt sind, riskieren, dass Sie nicht die richtigen Argumente finden, oder würden Sie anhalten und dann weiterreden, würden vielleicht aussteigen, ein paar Schritte gehen, um sich Luft zu verschaffen? Um Ihrem Freund und Gegner in die Augen zu sehen?«
    »Das haben die beiden ja dann gemacht.«
    »Ausgerechnet am Canale Boicelli? Haben Sie dort überhaupt aussagekräftige Spuren gefunden?«
    »Wir sind noch bei der Auswertung.«
    »Das heißt, nein. Warum sind Sie dorthin gefahren? Siebzehn Kilometer vom Lido, quer durch die Stadt und dann wieder hinaus, durch Wiesen und über Feldwege?«
    »Hören Sie, ich habe Gäste.«
    »Sie wissen, dass Pirri lügt.«
    »Ich kann jetzt nicht reden. Und ich kann Ihnen nicht helfen.«
    »Doch, das können Sie. Lassen Sie mich einen Blick in die Akten werfen.«
    »Ich denke, Sie sind in Berlin.«
    »Schicken Sie mir eine Kopie, vor allem vom Obduktionsbericht. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass niemand davon erfahren wird.«
    Balboni lachte kurz auf. »Sie sind nicht bei Trost«, sagte er, und dann legte er auf.
    Lunau rief die Nummer noch einmal an. Aber er bekam nur die Mailbox zu sprechen.
    »Sie wollten mir noch einen Gefallen tun und mir den Namen des Anwalts sagen«, sprach er auf die Box, dann warf er das Handy auf den Beifahrersitz.
47
    Giuseppe Pirri tastete die Wand über dem Waschbecken ab, suchte nach einem Spiegel. Wozu? Es gab keinen Spiegel, es hatte gestern keinen gegeben, und vorgestern nicht. Damit der Häftling ihn nicht zerdeppern und sich mit den Scherben nicht die Pulsadern aufschneiden konnte.
    Aber Pirri brauchte keinen Spiegel. Er wusste, wie sein Gesicht aussah. Nach der zweiten Nacht im Gefängnis, nach der zweiten Nacht ohne Schlaf. Er brauchte Medikamente, ein Betäubungsmittel. Wenn er nicht irgendwie zur Ruhe kam, würde er höchstens noch einen Tag durchhalten. Aber keine Nacht mehr. Dann würde er doch den Spiegel brauchen, und zwar die Scherben.
    Wieder waren da die Geräusche, die Geräusche der anderen, die tuschelten und lachten, die das Gemäuer in ständiger Schwingung hielten. Und von Stunde zu Stunde lauter wurden.
    Er suchte die zerkratzten, mit obszönen Symbolen und Verwünschungen übersäten Wände nach einer Ritze ab. Er war sich sicher, dass es eine Passage in die Nachbarzelle oder auf den Flur gab, vielleicht an einer Versorgungsleitung, einem Heizungsrohr zum Beispiel. Die anderen steckten einander Tütchen und Kassiber zu. Ihn belauerten sie durch diese Ritzen in den Wänden. Und auch die Wände standen nie still, sie bewegten sich wie Membranen, die Hass

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