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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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seiner Kollegen arbeiteten mit Wanzen und mit Hilfe von Hackern, die in Mailaccounts eindrangen und Datenbanken plünderten. Lunau hatte das immer abgelehnt. Er hasste Geheimdienste und deren Methoden. Meistens genügte der gesunde Menschenverstand, um Schweinereien auf die Spur zu kommen. Man musste nur genau beobachten, wer von bestimmten Machenschaften und Skandalen am Ende profitierte. Und dort mit den Recherchen ansetzen. Allerdings bezweifelte er langsam, dass er mit diesen Prinzipien in Ferrara Erfolg haben würde. Er fehlte unentschuldigt im Sender, Zeit und Geld rannen ihm durch die Finger.
    Er starrte auf die Steuerunterlagen. Laut Silvia Di Natale waren sie authentisch. Noch so ein Mysterium. Warum hatte Amanda Lunau mit heiklen Informationen versorgt, warumwar sie ein solches Risiko eingegangen, um ihn dann zu hintergehen?
    Er steckte sich das nächste Stück Pizza in den Mund, wischte sich das Fett von den Fingern und blätterte in Konto- und Depotauszügen. Nichts. Di Natales hatten praktisch keine Rücklagen. Der Kredit über das Haus lief noch 24 Jahre, die Einkommen waren für deutsche Verhältnisse lächerlich gering. Und die Lebenshaltungskosten in Italien waren mindestens so hoch wie in Deutschland. Ein Wunder, dass die Familie über die Runden kam. Auch diese Unterlagen waren nach Geschäftsjahren geordnet. Das laufende Jahr war, wie zu erwarten, noch nicht erfasst. Im Vorjahr hatte es keine auffälligen Posten gegeben. Di Natale hatte versucht, sein Arbeitszimmer steuerlich geltend zu machen. Das Finanzamt hatte abgelehnt.
    Lunau blätterte noch ein Jahr zurück und schaute sich die Kontoauszüge genauer an. Die üblichen Abbuchungen für Strom, Gas und Müll. Telefon, ein Fitnesscenter, der Beitrag für den Tennisklub. Musik- und Ballettschule. Einnahmen: Nur die Gehälter. Plötzlich fiel Lunau noch eine regelmäßige Abbuchung auf. Der Beitrag für eine Lebensversicherung, die auf den Namen »Vito Di Natale« lief. Lunau blätterte weiter in die Vorjahre. Die Beiträge waren stabil. Jeden Monat über hundert Euro. Silvia Di Natale profitierte also vielleicht doch von Di Natales Tod. Lunau dachte daran, wie sie sich auf dem Sofa gerekelt hatte, wie sie sich ihm in ihrer Trauer dargeboten hatte, und ihn packte die Wut. Er lief eine Weile im Zimmer auf und ab. Angenommen Silvia steckte hinter dem Mord – wie hatte sie die Tat bewerkstelligt? Sie selbst? Oder doch mit Pirris Hilfe? Aber warum mit Pirri?
    Lunau legte sich hin und ließ wieder die Stunden von seinem ersten Telefonat mit Di Natale bis zu dessen Ermordung Revue passieren. Er hörte erneut in die Audiofiles hinein, und als er sichnicht mehr konzentrieren konnte, versuchte er einzuschlafen. Vergeblich. Irgendwann war er zumindest in einen Halbschlaf hinübergeglitten, in dem er die Stimmen auf der Straße nur noch in einzelnen heftigen Schüben wahrnahm, einmal piepste das Handy, irgendwann setzte der neue Tag mit dem Rattern der Metallrollos an Geschäften und Handwerksbetrieben, dem Rumpeln der Liefer- und Müllwagen ein, die sich durch die engen Gassen des einstigen Ghettos wanden.
    Als Lunau die Leseleuchte einschaltete und auf sein Handydisplay sah, stand dort 6 Uhr 10, außerdem blinkte das Symbol für eine neue Nachricht. Lunau fummelte sich fluchend durch das Menü, um die Tastensperre aufzuheben und die Nachricht zu öffnen. Sie kam von Balboni. Name und Handynummer von Pirris Anwalt. Lunau wählte sie sofort.
51
    Es war Mittwoch morgen, sieben Uhr dreißig , als Giuseppe Pirri, genannt »der Kugelblitz« vom Deichamt, aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Er strich sich durch seine grauen Locken, die verklebt und leblos wirkten, nahm seine Tasche und grüßte den Pförtner mit einem kurzen Kopfnicken. Schon auf dem Korridor hatte er sich besser gefühlt, er konnte den Blick bis zu Fenstern und Oberlichtern schweifen lassen, Staubpartikel tanzten im Sonnenlicht und erfüllten ihn mit einer ungeahnten Leichtigkeit. Aber jetzt, vor der kleinen Tür im Stahltor, befiel ihn wieder panische Angst. Die Tür schwang auf, Pirri trat hinaus. Er war zwar im Freien, aber immer noch nicht in Freiheit. Grauer, aschig schmeckender Morgennebel hing über der Ebene, die Sonne dahinter ein finsterer Ball. Pirri musste noch eine lange Flucht durch zwei hohe Eisengatter gehen, dann erst kam er anden mit Stahlspitzen bewehrten Außenzaun des Gefängnisgeländes. Der Wärter schloss ihm die Pforte auf. Und da stand Pirris Frau Erica, die

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