Acqua Mortale
sich Möbel anzusehen, dachte er. Warum nur standen Frauen auf einen solchen Scheiß?
Er spürte ihre spitze, harte Zunge, die sich tief in seinen Mund schob. Ihr Atem verschmolz mit dem seinen, und er hatte nur noch einen Wunsch: sie direkt auf der Motorhaube zu nageln, bis die Lichter ausgingen.
»Also, was willst du dir zuerst ansehen? Küche, Bad oder …«, sie machte eine künstliche Pause, die gar nicht zu ihr passte, »… Schlafzimmer?«
Sie nahm ihn an der Hand und zog ihn hinter sich her, ehe er etwas erwidern konnte. Was waren das für Stöckelschuhe? Aber er fragte nur: »Wir stapfen in einen x-beliebigen Möbelmarkt, und deswegen hast du so eine gute Laune?«
»Für mich ist das kein x-beliebiger Möbelmarkt. Nicht, wenn ich mit dir zusammen reingehe.«
Sie nahm einen der riesigen Rollwagen.
»Wir wollten doch nur mal schauen. Ich hab gar kein Geld dabei«, sagte er.
»Man weiß nie.«
»Ich frage mich sowieso, wie man sich Möbel aussuchen soll, wenn man noch gar keine Wohnung hat.«
Sie blieb stehen und schaute ihm in die Augen. »Lass uns doch einfach mal ein bisschen Spaß haben. Wir lassen uns inspirieren.«
»Das ist für mich weder Inspiration noch Spaß.«
»Interessiert dich nicht, in was für einer Umgebung du leben wirst? Ich habe mir extra einen halben Tag frei genommen.«
»Ich auch«, brummte er.
Sie hatte den Wagen stehen lassen und sich in einen grünen Ohrensessel fallen lassen. Der Ohrensessel war der Mittelpunkt eines Wohnzimmers mit grässlicher Stehlampe, Sitzgarnitur undCouchtisch mit Zierdecke. Plötzlich sprang sie auf und trat auf Zappaterra zu. Ihre Augen funkelten wild. Ihr sehniger Körper schien gespannt wie eine Bogensaite. »Oder hast du es dir anders überlegt? Willst du jetzt einen Rückzieher machen?«
Er ging auf Abstand und schaute sich um. Was für eine beschissene Idee, dachte er, was für eine beschissene Idee. Aber er sagte: »Quatsch. Ich will nur dich.«
»Dann ist das dein neues Leben, das wir hier einrichten.«
»Ich meine ja nur, dass du das auch alleine machen könntest.«
»Und wenn es dir dann nicht gefällt?«
»Du kriegst das schon hin mit deinem Geschmack.«
Ihr Geschmack. Mit Grausen dachte er an ihr Wohnzimmer. Und jetzt erinnerte er sich auch wieder daran, warum er hatte mitkommen wollen. Um das Schlimmste zu verhindern. In so einem Plüschkäfig würde er nach einem halben Tag verrückt werden.
»Lass uns mit der Küche anfangen«, sagte er.
Sie drehte sich um, grinste ihn an und sagte, mit ausgestrecktem Zeigefinger und schräg gestelltem Becken, wie eine Popsängerin in einem Videoclip: »Okay.«
»Mit dir ist doch irgendwas«, sagte Zappaterra.
»Später«, erwiderte Dany und winkte mit einer Hand über ihre Schulter.
Andrea Zappaterra glaubte nicht an die christliche Lehre, wonach im Leben alles einen Sinn habe, auch und vor allem das Leiden, das dazu da sei, uns zu läutern, uns zu Reife und höherem Bewusstsein zu führen. Er glaubte nicht daran, dass man durch Entbehrungen und Schmerz das Eintrittsbillett ins Paradies erwarb. Was sollte er mit einem ewigen Leben? Vielleicht noch mit all seinen Liebsten aus dem Diesseits? Gar mit Marta, seiner Ehefrau? Für ihn war mit dem Tod Schluss, und deshalb musste manvorher alles geschossen haben, was es in der Losbude des Lebens zu holen gab.
Als sie nach einer Stunde in dem Schnellrestaurant saßen und Dany ihre trockenen Salatblätter mit dem Messer zerschnitt, dachte Zappaterra, dass diese Stunde, die er in dem Möbelhaus vergeudet hatte, nie wieder zurückkommen würde. Er hatte eine Stunde seines Lebens einfach vernichtet, wie einen Geldschein, unter den man ein Streichholz hält.
»Jetzt verrat mir wenigstens, was das für eine Neuigkeit ist«, sagte er und biss in seinen Burger. Das Fleisch war genau auf den Punkt gebraten, das Brötchen frisch, und doch schmeckte der Burger fade.
Sie schaute ihn an. Ihre Wangen glühten noch immer vor Begeisterung. »Ich bekomme eine richtige Stelle. Vollzeit und unbefristet. Ist das nicht der Wahnsinn?«
»Wo?«
»Wo? In der ARNI natürlich.«
Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Wer sagt das?«
»Wer wohl? Alberto Gasparotto.«
»Du meinst, er hat dir das persönlich gesagt?«
»Spreche ich so undeutlich? Er hat mich in sein Büro bestellt. Am Anfang redete er total verquer, wie es mir denn bei der ARNI gefalle, ich sei ja schon so lange dabei, verdienstvolle Mitarbeiterin, er weiß, lange nicht adäquat
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