Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
über Gerard Etienne wissen müssen.«
»Wie ich höre«, sagte Dalgliesh, »wollte er hier einiges verändern. Damit hat er sich vermutlich nicht in jedem Fall beliebt gemacht.«
»Was aber nicht heißt, daß diese Änderungen nicht notwendig waren, besser gesagt, es immer noch sind. Der Unterhalt für Innocent House hat über Jahrzehnte praktisch unseren ganzen Jahresgewinn aufgezehrt. Ich nehme an, wir könnten uns über Wasser halten, wenn wir das Programm halbieren, zwei Drittel der Mitarbeiter entlassen, unsere eigenen Gehälter um dreißig Prozent kürzen und uns mit der Backlist zufriedengeben und damit, künftig nur noch ein ganz kleiner Kultverlag zu sein. Aber einem Gerard Etienne hätte das nicht genügt.«
»Und Sie, die übrigen Gesellschafter, wie standen Sie dazu?«
»Ach, wir haben gemurrt und gelegentlich auch mal gegen den Stachel gelockt, aber ich glaube, im Grunde haben wir doch gewußt, daß Gerard recht hatte; für den Verlag hieß es entweder expandieren oder eingehen. Heutzutage ist man mit einem so einseitigen Programm wie dem unseren nicht mehr konkurrenzfähig. Gerard wollte einen Verlag mit einem Standbein im juristischen Bereich übernehmen – er hatte da ein Haus im Auge, wo man nur noch hätte zugreifen müssen – und Peverell Press eine Lehrbuchabteilung angliedern. Natürlich hätte das Geld gekostet, ganz zu schweigen von dem Energieaufwand und einem gewissen aggressiven Geschäftsgebaren. Und dazu hatten manche von uns vielleicht nicht den Mumm. Weiß der Himmel, wie es jetzt weitergehen soll. Ich nehme an, wir werden eine Gesellschafterkonferenz einberufen, Claudia zur Geschäftsführerin und Vorsitzenden bestellen und alle heiklen Entscheidungen um mindestens ein halbes Jahr verschieben. Gerard hätte sich darüber amüsiert. Er hätte das sehr typisch gefunden.«
Dalgliesh, der bestrebt war, de Witt nicht zu lange aufzuhalten, erkundigte sich zum Schluß noch nach dem ominösen Possenreißer.
»Ich hab’ keine Ahnung, wer dahintersteckt. Wir haben bei den Vorstandssitzungen eine Menge Zeit damit vergeudet, diesem Rätsel nachzuspüren, ohne daß etwas dabei herausgekommen wäre. Merkwürdig ist das schon. Wir haben schließlich insgesamt nur dreißig Mitarbeiter, da sollte man doch annehmen, daß wir inzwischen wenigstens eine Spur hätten, und sei’s auch nur durch negative Auslese. Natürlich sind die meisten Angestellten seit Jahren bei uns, und ich würde eigentlich für alle, die alten wie die neuen, die Hand ins Feuer legen. Wann immer uns so ein Streich gespielt wurde, war praktisch die ganze Belegschaft im Haus. Vielleicht hat der Kerl das ja absichtlich so eingerichtet, um eben jede Auslese unmöglich zu machen. Am gravierendsten waren natürlich das Verschwinden des Bildmaterials zu dem Sachbuch über Guy Fawkes und die mutwilligen Änderungen in Lord Stilgoes Korrekturfahnen.«
»Zur Katastrophe ist es aber in beiden Fällen nicht gekommen«, sagte Dalgliesh.
»Zum Glück nicht, nein. Und was sich da jetzt jemand mit Hissing Sid geleistet hat, fällt wohl in eine andere Kategorie. Die Sabotageversuche vorher richteten sich gegen den Verlag und waren sicher nicht persönlich gemeint, aber Gerard so brutal den Kopf dieser Schlange in den Mund zu stopfen, das kann ja nur ein gezielter Racheakt gegen ihn persönlich gewesen sein. Übrigens kann ich Ihnen die Frage ersparen, ob ich wußte, wo Hissing Sid zu finden war: Ja, ich habe es gewußt, so wie vermutlich alle im Haus, nachdem Mrs. Demery ihre Runde gedreht hatte.«
Dalgliesh fand, es sei an der Zeit, de Witt gehen zu lassen. »Wie kommen Sie jetzt nach Hillgate Village, Mr. de Witt?« fragte er abschließend.
»Ich hab’ mir ein Taxi bestellt. Mit der Fähre nach Charing Cross würde es zu lange dauern. Aber ich bin morgen ab halb zehn wieder im Haus, falls Sie noch Fragen haben sollten. Ich glaube allerdings nicht, daß ich Ihnen weiterhelfen kann. Ach, und daß ich Gerard weder getötet noch ihm die Schlange um den Hals gewickelt habe, das kann ich Ihnen genausogut jetzt gleich versichern. Ich hatte auch kein Motiv. Oder glauben Sie, daß man jemanden von der Existenzberechtigung der schöngeistigen Literatur überzeugen kann, indem man ihn vergast?«
»Ach«, sagte Dalgliesh, »Sie glauben also, daß er an Gasvergiftung gestorben ist?«
»Stimmt’s etwa nicht? Eigentlich war das Dauntseys Idee, ich will mich da nicht mit fremden Federn schmücken. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto
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