Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
uns kein Bedarf.«
Kein Wunder, dachte Dalgliesh, bei einem Club, der keine Frauen aufnimmt. Laut sagte er: »Aber diese plissierte Haube mit den Bändern – geht das nicht ein bißchen zu weit?«
»Ach, finden Sie? Ich vermute, wir haben uns dran gewöhnt. Wer weiß, ob den Mitgliedern nicht etwas fehlen würde, wenn Mrs. Jackson sie auf einmal ablegte.«
Ackroyd verlor weiter keine Zeit, sondern kam, sobald sie wieder allein waren, ohne Umschweife auf den Zweck dieser Zusammenkunft zu sprechen. »Lord Stilgoe hat sich letzte Woche bei Brook’s in einer delikaten Angelegenheit an mich gewandt. Er ist übrigens ein Onkel meiner Frau. Kennen Sie ihn?«
»Nein. Ich dachte eigentlich, er sei schon gestorben.«
»Kann mir nicht denken, wie Sie darauf kommen.« Ackroyd stocherte gereizt in seinem Bohnensalat herum, und Dalgliesh fiel ein, daß Ackroyd den Gedanken, jemand aus seinem Bekanntenkreis könne das Zeitliche segnen, verabscheute, insbesondere dann, wenn man ihn, Conrad, nicht vorher in Kenntnis gesetzt hatte. »Stilgoe ist jünger als er aussieht, noch keine achtzig. Und für sein Alter ausgesprochen rüstig. Er schreibt übrigens gerade seine Memoiren. Erscheinen nächstes Frühjahr bei Peverell Press. Und genau darüber wollte er mit mir reden. Es hat da nämlich einen haarsträubenden Vorfall gegeben. Seine Frau macht sich jedenfalls große Sorgen. Sie glaubt, Stilgoe hätte eine regelrechte Morddrohung bekommen.«
»Und, stimmt das?«
»Na ja, man hat ihm das da geschickt.«
Es dauerte eine Weile, bis Ackroyd das kleine rechteckige Blatt Papier aus seiner Brieftasche gefischt hatte und es Dalgliesh über den Tisch reichte. Der Text war auf einem PC geschrieben und trug keine Unterschrift.
»Halten Sie es wirklich für klug, Ihr Buch bei Peverell Press verlegen zu lassen? Denken Sie an Marcus Seabright, Joan Petrie und nun Sonia Clements. Zwei Autoren und Ihre eigene Lektorin hat in weniger als einem Jahr der Tod ereilt. Wollen Sie das vierte Opfer sein?«
Dalgliesh sagte: »Das ist wohl eher ein übler Streich als eine Drohung und weniger gegen Stilgoe als gegen den Verlag gerichtet, scheint mir. Und diese Sonia Clements hat eindeutig Selbstmord begangen. Sie hat eine Nachricht für den Coroner hinterlassen und auch einen Abschiedsbrief an ihre Schwester. Die beiden anderen Todesfälle sind mir unbekannt.«
»Ach, an denen war meines Erachtens auch nichts Mysteriöses. Seabright war über achtzig und hatte ein schwaches Herz. Er starb an einem Herzinfarkt infolge einer Magen-Darm-Entzündung. Für Peverell Press war das kaum ein Verlust, denn er hatte seit zehn Jahren keinen Roman mehr geschrieben. Und Joan Petrie kam auf der Fahrt zu ihrem Landhaus ums Leben. Ein Unfall. Die Petrie hatte zwei Leidenschaften, Whisky und schnelle Autos. Verwunderlich ist höchstens, daß sie sich selber totgefahren hat, bevor ein Unschuldiger dran glauben mußte. Der anonyme Briefschreiber hat diese beiden Todesfälle sicher nur angeführt, um etwas mehr in die Waagschale werfen zu können. Aber Dorothy Stilgoe ist nun mal abergläubisch. Und sie vertritt den Standpunkt: Warum muß es Peverell sein, wenn’s auch andere Verlage gibt?«
»Wer leitet denn jetzt eigentlich Peverell Press?«
»Na, Gerard Etienne. Und der hat die Zügel ganz fest in der Hand. Der ehemalige Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzende des Verlages, der alte Henry Peverell, ist Anfang Januar gestorben und hat seine Unternehmensanteile zu gleichen Teilen seiner Tochter Frances und Gerard vermacht. Sein Partner, Jean-Philippe Etienne, war ein Jahr zuvor aus der Firma ausgeschieden, ein Rücktritt, der fast überfällig war. Auch seine Aktien fielen an Gerard. Die beiden Alten sahen in ihrem Verlag so eine Art privates Steckenpferd, hatten einfach keinen Geschäftssinn. Peverell senior vertrat ohnehin stets die Ansicht, daß ein Gentleman sein Geld ererbt und nicht mit eigener Hände Arbeit verdient. Jean-Philippe Etienne hatte sich schon seit Jahren nicht mehr aktiv ums Geschäft gekümmert. Seinen großen Auftritt hatte er ja im letzten Krieg, als Held der Résistance im besetzten Frankreich. Aber ich glaube nicht, daß er seither noch irgendwas Denkwürdiges geleistet hat. Tja, und Gerard lauerte lange Zeit als Kronprinz hinter den Kulissen. Jetzt, wo er glücklich die Bühne erobert hat, können wir uns auf Action gefaßt machen, wenn’s nicht gar ein Melodrama wird.«
»Betreut Gabriel Dauntsey noch immer das künstlerische Programm
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