Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
Tod auf Paradise Island ändern würden. Sie hatte von Anfang an den Verdacht, daß der Verlag das Manuskript hauptsächlich auf sein Betreiben hin abgelehnt hat. Viel Hoffnung habe ich ihr nicht gemacht. Ich hab’ ihr vielmehr klipp und klar gesagt, daß die Entscheidung wohl einstimmig vom ganzen Vorstand verabschiedet wurde und daß die Gesellschafter jetzt, so kurz nach Gerards Tod, seinen Wünschen bestimmt nicht gern entgegenhandeln würden. Ja, und dann habe ich ihr vorgeschlagen, Herne & Illingworth für ihren Roman zu interessieren, und sie um das Manuskript gebeten. Auch da hat sie wieder ganz merkwürdig reagiert. Sie wüßte nicht genau, wo sie’s hingelegt habe, hat sie gesagt. Erst morgens hätte sie noch danach gesucht, es aber nicht finden können. Und dann hat sie behauptet, Gerards Tod habe sie zu sehr mitgenommen, als daß sie so bald schon über die Zukunft ihres Romans nachdenken könnte. Das klang nun wirklich nicht glaubhaft. Schließlich hatte sie mich wenige Minuten zuvor erst gefragt, ob ich mir vorstellen könne, daß die Gesellschafter ihre Meinung ändern und Tod auf Paradise Island nun doch drucken würden. Nein, ich glaube, sie hatte das Manuskript einfach nicht mehr. Oder aber sie wollte es mir nicht geben. Kurz danach bin ich dann gegangen. Ich war alles in allem nicht länger als zehn Minuten hier.«
»Und haben Sie Mrs. Carling danach noch einmal gesprochen?«
»Nein, eben nicht. Und auch das ist merkwürdig, wenn ich’s recht bedenke. Gerard Etienne war immerhin ihr Verleger. Eigentlich hätte ich erwartet, daß sie die nächsten Tage mal in der Agentur vorbeigekommen wäre, und sei’s auch nur zum Ratschen. Normalerweise rückte sie uns alle paar Tage auf die Bude.«
»Wie lange waren Sie denn ihre Agentin? Und haben Sie Mrs. Carling gut gekannt?«
»Vertreten hab’ ich sie nicht mal ganz zwei Jahre. Aber auch in der kurzen Zeit hab’ ich sie relativ gut kennengelernt, ja. Dafür hat sie schon selbst gesorgt. Genaugenommen hab’ ich sie ja geerbt. Ihre frühere Agentin war Marjorie Rampton, und Marge hat schon ihr allererstes Buch betreut. Das ist jetzt dreißig Jahre her. Die beiden waren wirklich eng befreundet – hat man ja oft zwischen Autor und Agent. Man kann nicht sein Bestes für einen Kunden geben, mit dem man sich nicht auch versteht, abgesehen davon, daß man natürlich auch seine Bücher schätzen muß. Aber mit Marge und Esme, das ging tiefer. Nicht, daß Sie mich mißverstehen, ich spreche von Freundschaft und will nichts andeuten – in sexueller Richtung, Sie wissen schon. Sie hatten wohl viel gemeinsam, beide waren Witwen, beide kinderlos. Sie fuhren zusammen in Urlaub, und ich glaube, Esme hat Marge auch gebeten, ihren literarischen Nachlaß zu verwalten. Na, das wird ganz schön lästig werden, falls Esme ihr Testament nicht noch einmal geändert hat. Marge ist nämlich, gleich nachdem sie mir die Agentur verkauft hat, zu ihren Nichten nach Australien gezogen, und da lebt sie, soviel ich weiß, immer noch.«
»Erzählen Sie uns ein bißchen was über Esme Carling«, bat Dalgliesh. »Was war sie für ein Mensch?«
»Ach Gott, jetzt bringen Sie mich aber in Verlegenheit. Ich meine, was kann ich Ihnen darauf antworten? Es kommt mir so unloyal, ja fast unanständig vor, eine Tote zu kritisieren, aber ich kann auch nicht so tun, als ob es leicht gewesen wäre mit ihr. Sie war eine von den Klientinnen, die ständig an der Strippe hängen oder einen im Büro überfallen und denen man’s nie recht machen kann. Sie haben ständig das Gefühl, man könnte noch mehr tun, um dem Verleger einen höheren Vorschuß abzuluchsen, die Filmrechte an den Mann zu bringen oder eine Fernsehserie an Land zu ziehen. Ich glaube, Esme hat die Trennung von Marge nicht gut verkraftet und dachte, ich würde ihr nicht die Aufmerksamkeit widmen, die ihrem ›Genie‹ zukam, doch in Wahrheit habe ich ihr mehr Zeit geopfert, als ich strenggenommen hätte rechtfertigen können. Ich meine, ich hab’ schließlich auch noch andere Klienten, und bei den meisten davon springt ein ganzes Ende mehr raus als bei Esme.«
»Sie zu vertreten«, sagte Kate, »hat also mehr Ärger eingebracht als Gewinn?«
Mrs. Pitt-Cowley maß sie erst mit grüblerischem und dann abweisendem Blick. »Ich hätte es zwar nicht so ausgedrückt, aber wenn Sie die Wahrheit wissen wollen: Das Herz hätte es mir nicht gebrochen, wenn sie sich nach einem anderen Agenten umgesehen hätte. Ich sag’ das wirklich
Weitere Kostenlose Bücher