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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Ursprünglich waren es zwei solide Häuschen gewesen, aber in den fünfziger Jahren hatte eine Familie mit festen Vorstellungen davon, was den Charme ländlichen Wohnens ausmacht, beide zusammengelegt und komplett umgebaut. Das Ziegeldach wurde gegen eines aus Reet ausgetauscht, in dem wie vorquellende Augen drei Mansardenfenster saßen; die vormals schlichten Fenster waren jetzt längs unterteilt, und auf einer neu angebauten Veranda blühten im Sommer Kletterrosen und Klematis. Mrs. Willoughby liebte das Cottage, und mochten die längs unterteilten Fenster das Wohnzimmer auch mehr verdunkeln als ihr eigentlich lieb gewesen wäre, mochten die Eichenbalken auch nicht alle original sein, nie hätte sie diese kleinen Schönheitsfehler offen zugegeben. Das Cottage mit dem tadellosen Strohdach und sein Garten waren schon in zu vielen Kalendern abgebildet und zu oft von Besuchern fotografiert worden, als daß sie sich wegen kleiner architektonischer Unstimmigkeiten zu sorgen brauchte. Der größere Garten lag zur Straße hin, und hier verbrachte Mrs. Willoughby fast jede freie Stunde damit, den nach einhelligem Urteil stattlichsten Vorgarten von West Marling, gleichermaßen Augenweide für Passanten wie für die beiden Anwohnerinnen, zu bestellen, zu hegen und zu pflegen.
    »Ich bemühe mich, das ganze Jahr über Abwechslung zu bieten«, pflegte sie den Leuten zu erklären, die bewundernd stehenblieben, und das gelang ihr großartig. Sie war aber auch eine geborene und obendrein einfallsreiche Gärtnerin. Alles, was sie anpflanzte, gedieh prächtig, und sie hatte ein gutes Gespür für Farben und Proportionen. Das Cottage mochte nicht ganz authentisch sein, aber der Garten war englisch durch und durch. Auf einem kleinen Rasen stand ein Maulbeerbaum, um den im Frühling Krokusse und Schneeglöckchen blühten, die später von leuchtenden Osterglocken und Narzissen abgelöst wurden. Im Sommer waren die dicht bepflanzten Beete vor der Veranda ein Rausch von Farben und Düften. Die Buchenhecke, kurzgeschoren, um nicht den Blick auf die Herrlichkeiten dahinter zu versperren, stand, angefangen von den ersten, noch zaghaft festen Knospen bis hin zur raschelnden, herbstlich rotgoldenen Blätterpracht, als lebendes Sinnbild für den Kreislauf der Jahreszeiten.
    Von der alle zwei Wochen stattfindenden Pfarrgemeinderatssitzung kam Mrs. Willoughby jedesmal beschwingt und mit strahlenden Augen zurück. Manch einer, dachte Blackie, hätte sich durch das ewige Geplänkel mit dem Pfarrer wegen seiner kleinen Vergehen (etwa daß er der neuen Liturgie den Vorrang vor der alten gab) entmutigen lassen, Joan aber schien dabei aufzublühen. Sie setzte sich, beide Füße fest auf den Boden gepflanzt und die prallen Schenkel so weit auseinander, daß der Tweedrock sich darüber spannte, an den Chippendale-Tisch und goß zwei Gläser Amontillado ein. Ein trockener Keks zerbröckelte zwischen den starken weißen Zähnen, das geschliffene Glas, Teil eines wertvollen Satzes, sah in ihrer kräftigen Hand so zerbrechlich aus, daß man um den hauchzarten Stiel hätte fürchten können.
    »Stell dir vor, jetzt will er gegen sexistische Tendenzen in der Sprache zu Felde ziehen. Für den Abendgottesdienst am kommenden Sonntag hat er ›O Nacht voll Arg und Weh‹ vorgesehen, aber statt ›Hand in Hand und brüderlich besiegen wir die nächt’gen Schatten‹ wünscht er sich einen geschlechtsneutralen Vers. Na, dank Mr. Higginsons Unterstützung konnte ich den Unfug gerade noch verhüten. Ich verzeih’ dem Mann seine Speckpreise und sogar, daß er seine räudige alte Katze im Schaufenster auf den Cornflakes sitzen läßt, solange er dafür im Pfarrgemeinderat der Vernunft das Wort redet, was er Gott sei Dank meistens tut. Ach, weißt du, was Miss Matlock vorgeschlagen hat? ›Hand in Hand und schwesterlich‹!«
    »Aber daran ist doch nichts auszusetzen, oder?«
    »Nur, daß der Dichter es so nicht geschrieben hat. Und du? Hast du einen schönen Tag gehabt?«
    »Nein, das kann ich wirklich nicht behaupten.« Doch Mrs. Willoughby war in Gedanken immer noch bei der Pfarrgemeinderatssitzung. »Mir hat dieses Lied eigentlich nie besonders gefallen. Ich versteh’ nicht, was Miss Matlock daran findet. Wahrscheinlich sentimentale Kindheitserinnerungen, weiter nichts. Von Arg und Weh ist ja in der Gemeinde St. Margaret nicht viel zu spüren. Dafür geht’s den Leuten hier viel zu gut. Allerdings, wenn der Pfarrer tatsächlich versucht, die Abendmahlsfeier

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