Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
Frensham,
Helenas alte Gouvernante, die für das Büro zuständig ist. Sie ist die
Witwe eines Priesters der Church of England, und genau so sieht sie
auch aus, eine Art wandelndes Gewissen, das dich an deine Sünden
erinnert. Und es gibt noch dieses seltsame Mädchen, das sie wer weiß wo
aufgegabelt haben, Sharon Bateman, eine Art Faktotum, die alle
möglichen Arbeiten in der Küche und für Miss Cressett erledigt. Sie
latscht überall herum und trägt Tabletts durch die Gegend. Das wären in
etwa die, die du kennen musst.«
»Woher weißt du das alles, Robin?«
»Ich halte Augen und Ohren offen, wenn ich mit den Dorfleuten
im Cressett Arms Bier trinke. Außer mir macht das keiner. Und die sind
auch nicht gerade gesprächig gegenüber Fremden. Entgegen der
allgemeinen Auffassung. Aber ich habe auch für Nebensächlichkeiten und
Untertöne ein Ohr. Im siebzehnten Jahrhundert hatten die Cressetts
einen höllischen Streit mit dem Gemeindepfarrer und sind danach nicht
mehr in die Kirche gegangen. Das Dorf ergriff damals Partei für den
Pfarrer, und der Zwist zog sich durch die Jahrhunderte, wie das eben so
ist. Chandler-Powell hat nichts getan, um ihn beizulegen. Weil er ihm
gerade recht kommt. Die Patienten wollen dort ungestört sein, es legt
bestimmt keiner Wert darauf, dass man sich im Dorf das Maul über ihn
zerreißt. Ein paar Frauen aus dem Dorf gehören zur Putzkolonne in der
Klinik, aber die meisten anderen Angestellten kommen von weiter weg.
Ach, beinahe hätte ich den alten Mog vergessen – Mr.
Mogworthy. Er hat für die Cressetts als Gärtner und Mädchen für alles
gearbeitet, und George hat ihn übernommen. Er ist ein Quell an
Informationen, man muss nur wissen, wie man sie ihm entlockt.«
»Unglaublich.«
»Was?«
»Der Name. Der muss erfunden sein. Kein Mensch heißt
Mogworthy.«
»Er schon. Es hat mal einen Pfarrer mit dem Namen gegeben,
sagt er, in der Holy Trinity Church in Bradpole, Ende des fünfzehnten
Jahrhunderts. Mogworthy behauptet, von ihm abzustammen.«
»Das ist schwer möglich. Wenn der erste Mogworthy ein Priester
war, dann ja wohl ein römisch-katholischer, der im Zölibat leben
musste.«
»Gut, dann eben von derselben Familie. Jedenfalls gibt es ihn.
Er hat in dem Cottage gewohnt, das jetzt Marcus und Candace bewohnen,
aber George wollte das Cottage für sich und hat ihm gekündigt. Er lebt
jetzt bei seiner alten Schwester im Dorf. Ja, Mog ist ein Quell an
Informationen. Dorset ist voll von Legenden, eine schrecklicher als die
andere, und Mog kennt sie alle. Dabei ist er gar nicht in der
Grafschaft geboren. Alle seine Vorfahren haben dort gelebt, aber Mogs
Vater ist vor seiner Geburt nach Lambeth gezogen. Du musst ihn nach den
Cheverell-Steinen fragen.«
»Hab noch nie davon gehört.«
»Oh, das wird sich ändern, wenn Mog in der Nähe ist. Du kannst
eigentlich gar nicht dran vorbeilaufen. Es ist ein Steinkreis aus der
Jungsteinzeit auf einem Feld direkt beim Manor. Und dazu gibt es eine
schaurige Geschichte.«
»Erzähl.«
»Nein, das überlasse ich Mog oder Sharon. Mog behauptet, dass
sie von den Steinen besessen ist.«
Der Kellner servierte den Hauptgang, und Robin hörte auf zu
reden. Mit beifälliger Zufriedenheit betrachtete er die Speisen auf dem
Teller. Er hatte das Interesse an Cheverell Manor verloren. Ihr
Gespräch wurde oberflächlich, offensichtlich war er mit den Gedanken
woanders. Erst beim Kaffee richtete sein Blick sich wieder auf sie, und
sie war aufs Neue fasziniert von der Tiefe und Klarheit seiner Augen,
ihrem beinahe übernatürlichen Blau. Die durchdringende Kraft seines
Blicks war verstörend. Er streckte ihr die Hand über den Tisch entgegen
und sagte: »Rhoda, komm mit zu mir. Jetzt gleich. Ich bitte dich darum.
Es ist wichtig. Wir müssen reden.«
»Haben wir doch schon.«
»Über dich und über das Manor. Nicht über uns.«
»Wartet Jeremy denn nicht auf dich? Müsstest du deinen
Klienten nicht beibringen, wie sie auf renitente Kellner und korkigen
Wein zu reagieren haben?«
»Die Leute, denen ich das beibringe, kommen in der Regel
abends. Bitte, Rhoda.«
Sie beugte sich zu ihrer Handtasche hinüber. »Tut mir leid,
Robin, aber es geht nicht. Ich habe noch eine Menge zu erledigen, bis
ich in die Klinik gehe.«
»Natürlich geht es. Warum sollte es nicht gehen? Du willst
bloß nicht.«
»Es würde gehen, aber heute passt es mir nicht. Lass uns nach
der Operation reden.«
»Dann ist es vielleicht zu spät.«
»Zu spät für
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