Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
hatte sie nichts hinzuzufügen. Candace versuchte,
es näher zu erklären.
»Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass Robin tot sein
könnte, und keine von uns hat diese Möglichkeit erwähnt. Ich habe die
Initiative ergriffen, und nachdem wir einmal angefangen hatten, in
Schränke zu schauen und eine gründliche Suche durchzuführen, da kam es
uns ganz normal vor, so weiterzumachen, genau wie Lettie gesagt hat. Im
Hinterkopf hatte ich vielleicht einen möglichen Unfall, aber dieses
Wort fiel nie zwischen uns.«
Dalgliesh und Inspector Miskin erhoben sich. »Vielen Dank
Ihnen beiden«, sagte Dalgliesh. »Sie müssen jetzt gehen. Für den Moment
werde ich Ihnen keine Umstände mehr machen.« Er wandte sich an Candace.
»Leider müssen wir das Stone Cottage vorübergehend schließen,
wahrscheinlich für ein paar Tage.«
»Als Tatort?«, fragte Candace.
»Als Ort eines ungeklärten Todesfalls. Ich weiß von Mr.
Chandler-Powell, dass es für Sie und Ihren Bruder Zimmer im Manor gibt.
Ich bedaure diese Unannehmlichkeiten, aber Sie haben sicherlich
Verständnis dafür. Wir erwarten auch eine Ärztin von der Rechtsmedizin
und die Spurensicherung, aber wir achten darauf, dass kein Schaden
angerichtet wird.«
»Von mir aus können Sie das ganze Haus auseinandernehmen«,
sagte Candace. »Ich habe hier nichts mehr verloren.«
Er fuhr fort, als hätte er das nicht gehört. »Inspector Miskin
kommt mit Ihnen mit, damit Sie zusammenpacken können, was Sie im Manor
brauchen.«
Sie standen also unter Bewachung, dachte sich Lettie. Was
befürchtete er? Dass sie davonliefen? Doch dann sagte sie sich, dass
sie ungerecht war. Er hatte sich ihnen gegenüber überaus freundlich und
höflich verhalten. Aber was hätte es ihm auch gebracht, kurz angebunden
zu sein?
Candace stand auf. »Ich suche mir zusammen, was ich brauche.
Mein Bruder kann seine Sachen selber packen, natürlich unter Aufsicht.
Ich habe nicht die Absicht, in seinem Zimmer herumzustöbern.«
»Ich sage Ihnen Bescheid, wann er seine Sachen holen kann«,
erwiderte Dalgliesh ruhig. »Inspector Miskin hilft Ihnen jetzt.«
Angeführt von Candace stiegen sie zu dritt die Treppe hinauf.
Lettie war froh, endlich von der alten Speisekammer wegzukommen. In
ihrem Schlafzimmer zog Candace einen Koffer aus dem Schrank, aber
Inspector Miskin war diejenige, die ihn auf das Bett hob. Candace holte
Kleidung aus ihren Schubladen und dem Schrank, legte sie rasch zusammen
und packte sie gekonnt ein: warme Pullover, Hosen, Shirts, Unterwäsche,
Nachtwäsche und Schuhe. Sie verschwand im Badezimmer und kehrte mit
ihrem Kulturbeutel zurück. Ohne einen Blick zurückzuwerfen waren sie
bereit zum Aufbruch.
Commander Dalgliesh und Sergeant Benton-Smith waren in der
alten Speisekammer und warteten offensichtlich darauf, dass sie gingen.
Der Deckel der Gefriertruhe war geschlossen. Candace überreichte ihnen
die Hausschlüssel. Sergeant Benton-Smith stellte ihr eine Quittung
dafür aus, dann wurde die Haustür hinter ihnen geschlossen. Lettie
meinte zu hören, wie ein Schlüssel im Schloss gedreht wurde.
Schweigend atmeten sie die reinigende, süßlich feuchte
Morgenluft in tiefen Zügen ein und machten sich mit Inspector Miskin in
ihrer Mitte langsam auf den Rückweg zum Manon.
9
A ls sie sich der Eingangstür des Manor
näherten, blieb Inspector Miskin zurück und wandte sich taktvoll ab,
als wollte sie den Eindruck vermeiden, die beiden Frauen würden von
einer Polizeieskorte begleitet. Candace erhielt dadurch Gelegenheit,
Lettie rasch etwas zuzuflüstern, als diese die Tür öffnete: »Keine
Diskussionen darüber, was passiert ist. Nur die reinen Fakten.«
Lettie war versucht zu entgegnen, dass sie keineswegs die
Absicht habe, mehr als das zu sagen, aber sie hatte nur Zeit zu
murmeln: »Natürlich.«
Candace entzog sich jeglicher Diskussion, indem sie verlangte,
ihr Zimmer zu sehen. Helena war sofort da, und die beiden verschwanden
im Ostflügel. Dort würde es bald unangenehm eng werden, denn auch
Flavia schlief bereits dort, seit der Patiententrakt abgesperrt war.
Nachdem Marcus telefonisch Dalglieshs Einverständnis eingeholt hatte,
ging er ins Stone Cottage, um sich die Kleider und Bücher zu holen, die
er brauchte, und dann zu seiner Schwester in den Ostflügel zu ziehen.
Alle waren eifrig besorgt. Niemand stellte unangenehme Fragen. Doch
während sich der Vormittag hinzog, schien die Luft vor
unausgesprochenen Fragen zu brummen, die sich hauptsächlich darum
drehten,
Weitere Kostenlose Bücher