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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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sie wohl, dass sie es
überlebt. Ich weiß nicht, wie sie je wieder ganz gesund werden soll.
Sie hat viel Blut verloren, ein Stich hat einen Lungenflügel
durchbohrt. Die Klinge hat ihr Herz nur knapp verfehlt. Jemand im
Krankenhaus hat gesagt, sie hätte Glück gehabt. Glück! Ein seltsames
Wort in diesem Zusammenhang.«
    Beinahe hätte er gefragt, wie es Clara ging, aber er begriff
rechtzeitig, wie unsensibel das wäre. Nun sah Emma ihm zum ersten Mal
direkt ins Gesicht. Schmerz, Wut und Trauer lagen in ihren Augen.
    »Ich konnte Clara nicht helfen. Ich war völlig nutzlos für
sie. Ich habe sie in die Arme genommen, aber meine Arme wollte sie
nicht. Es gab nur eines, was sie von mir wollte – ich soll
dich überreden, den Fall zu übernehmen. Deshalb bin ich hier. Zu dir
hat sie Vertrauen. Mit dir kann sie reden. Und sie weiß, dass du der
Beste bist.«
    Natürlich war das der Grund, weshalb sie gekommen war. Sie war
nicht hier, damit er ihr Trost spendete, weil sie jetzt in seiner Nähe
sein musste oder damit er ihren Schmerz teilte. Sie wollte etwas von
ihm, und er konnte es ihr nicht geben. Er setzte sich ihr gegenüber und
sagte sanft: »Emma, das ist unmöglich.«
    Sie stellte ihren Kaffeebecher auf den Herd. Ihre Hände
zitterten. Er wollte danach greifen, sie schützend in die seinen
nehmen, aber er hatte Angst, sie würde sie zurückziehen. Das hätte er
nicht ertragen.
    »Mit dieser Antwort habe ich gerechnet. Ich habe versucht,
Clara zu erklären, dass es vielleicht nicht den Vorschriften
entspricht, aber das versteht sie nicht. Ich weiß nicht einmal, ob ich
es verstehe. Sie weiß, dass euer Opfer hier, die tote Frau, wichtiger
ist als Annie. Darum geht es doch bei deiner Sonderkommission, oder?
Ihr müsst Verbrechen aufklären, bei denen wichtige Leute beteiligt
sind. Aber ihr ist Annie wichtig. Für sie und Annie ist eine
Vergewaltigung schlimmer als der Tod. Wenn du ermitteln würdest, wäre
sie sicher, dass der Täter gefunden wird.«
    »Emma«, entgegnete er, »die Einheit hat nicht in erster Linie
mit der Wichtigkeit des Opfers zu tun. Für die Polizei ist ein Mord ein
Mord, jeder Fall ist ganz spezifisch. Eine Ermittlung wird nie
endgültig als erfolglos zu den Akten gelegt, sondern der Fall gilt
allenfalls als vorübergehend ungelöst. Es gibt kein Mordopfer, das als
unwichtig eingestuft wird. Kein Verdächtiger, so mächtig er auch sein
mag, kann sich Immunität bei einer Ermittlung erkaufen. Aber es gibt
Fälle, die man am besten mit einem kleinen, ausgesuchten Team angeht,
Fälle, bei denen es im Interesse der Gerechtigkeit liegt, ein schnelles
Ergebnis zu bekommen.«
    »Im Augenblick glaubt Clara an keine Gerechtigkeit. Sie denkt,
dass du den Fall übernehmen könntest, wenn du es wolltest und darauf
bestehen würdest, Vorschriften hin oder her.«
    Es kam ihm falsch vor, dass sie so weit auseinandersaßen. Er
sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen, doch das wäre ein zu
simpler Trost gewesen – beinahe eine Beleidigung für ihren
Schmerz. Und was, wenn sie sich ihm entwand, wenn sie unwillig
zurückschreckte und ihm zeigte, dass er sie gar nicht trösten konnte,
sondern ihr Leid nur verstärkte? Was verband sie in diesem Moment mit
ihm? Tod, Vergewaltigung, Verletzung, Verderben? Um seine Arbeit war
ein Zaun gezogen, ein unsichtbares Schild verkündete: Eintritt
verboten! Dieses Problem ließ sich nicht mit Küssen und geflüsterten
Beruhigungen lösen. Bitter dachte er, dass er sich stets dessen gerühmt
hatte, dass sie immer miteinander sprechen konnten. Aber das galt nicht
jetzt, und es galt auch nicht für alles.
    »Wer leitet denn die Ermittlung? Hast du mit jemandem
Kontakt?«, fragte er.
    »Es ist Detective Inspector A. L. Howard. Irgendwo
habe ich seine Visitenkarte. Er hat natürlich schon mit Clara
gesprochen und war bei Annie im Krankenhaus. Er wollte, dass eine
weibliche Beamtin Annie ein paar Fragen stellte, bevor sie die Narkose
bekam, wahrscheinlich für den Fall, dass sie stirbt. Sie war zu
schwach, um mehr als nur ein paar Worte von sich zu geben, aber es
waren offenbar wichtige Hinweise.«
    »Andy Howard ist ein guter Detective mit einem hervorragenden
Team. Einen Fall wie diesen kann man nur durch gewissenhafte
Polizeiarbeit lösen, und dazu gehört viel aufwendige, mühsame Routine.
Aber sie werden es schaffen.«
    »Clara fand ihn nicht sonderlich sympathisch. Wahrscheinlich
nur, weil er nicht du ist. Und die Polizeibeamtin – Clara
hätte ihr beinahe eine

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