Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
aussprechen würde
das keiner, aber Benton hatte es ihnen angesehen, als er mit Marcus ins
Manor zurückgekehrt war. Nun würden sie morgens aufwachen können, ohne
sich davor fürchten zu müssen, was dieser Tag wohl bringen würde, sie
konnten schlafen, ohne die Tür abzuschließen, mussten nicht mehr genau
aufpassen, was sie sagten. Morgen oder übermorgen wäre auch die Polizei
wieder verschwunden. Dalgliesh und sein Team würden zur gerichtlichen
Untersuchung noch einmal nach Dorset zurückkehren müssen, aber im Manor
konnte das Team nun nichts mehr ausrichten. Vermissen würde man sie
nicht.
Drei Kopien waren von dem Selbstmordband angefertigt und
beglaubigt worden. Das Original lag bei der Polizei von Dorset, um bei
der gerichtlichen Untersuchung als Beweis vorgelegt zu werden. Nun
würden sie es sich gemeinsam als Team anhören.
Kate konnte Dalgliesh ansehen, dass er nicht geschlafen hatte.
Frisches Brennholz lag auf dem Rost, das Feuer brannte hell, und wie
gewöhnlich roch es nach Kamin und frisch gebrühtem Kaffee, aber Wein
gab es nicht. Sie setzten sich an den Tisch. Er schob die Kassette in
das Gerät und schaltete es ein.
Natürlich hatten sie damit gerechnet, Candace' Stimme zu
hören, aber sie klang so deutlich und klar, dass Kate einen Augenblick
glaubte, sie wäre mit ihnen im Raum.
»Ich richte meine Worte an Commander Adam Dalgliesh, in dem
Wissen, dass dieses Band an den Untersuchungsrichter und jeden anderen
weitergeleitet wird, der ein legitimes Interesse an der Wahrheit hat.
Was ich nun sage, ist die reine Wahrheit. Sie wird für niemanden eine
Überraschung darstellen. Ich habe seit mehr als vierundzwanzig Stunden
gewusst, dass Sie mich festnehmen würden. Mein Plan, Sharon am
Hexenstein zu verbrennen, war mein letzter, verzweifelter Versuch, mich
einem Prozess und einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe zu entziehen
und damit auch alle Konsequenzen für die Menschen, an denen mir etwas
liegt, zu vermeiden. Wäre Sharon verbrannt, hätte das ausgesehen wie
der Selbstmord einer neurotischen, besessenen Mörderin, ein Selbstmord,
den ich nicht mehr rechtzeitig verhindern konnte. Und wie hätten Sie
mich mit Aussicht auf eine Verurteilung wegen Mordes an Rhoda Gradwyn
anklagen wollen, solange Sharon, mit ihrer Vorgeschichte, unter den
Verdächtigen war?
O ja, ich wusste davon. Ich war bei Sharons
Vorstellungsgespräch im Manor dabei. Auch Flavia Holland war dabei. Sie
hat rasch gemerkt, dass Sharon für die Arbeit mit Patienten völlig
ungeeignet war. Aber sie hat es mir überlassen, ob ich sie beim
Hauspersonal unterbringen wollte. Damals haben wir dringend jemanden
gebraucht. Deshalb mussten wir sie einstellen. Und sie hatte natürlich
meine Neugier geweckt. Eine fünfundzwanzigjährige Frau ohne Ehemann,
ohne Liebhaber, ohne Familie, anscheinend ohne jede Vergangenheit, die
sich mit dem untersten Rang in der Hackordnung des Hauses
zufriedengibt? Dafür musste es eine Erklärung geben. Diese Mischung aus
dem Wunsch zu gefallen und stiller Zurückgezogenheit, das Gefühl, dass
sie in einer Einrichtung zu Hause war, dass sie daran gewöhnt war,
beobachtet zu werden, irgendwie unter Aufsicht stand. Es gab nur eine
Straftat, auf die das alles passte. Am Ende erfuhr ich es, weil sie es
mir erzählte.
Sie musste noch aus einem anderen Grund sterben. Sie hat mich
das Manor verlassen sehen, nachdem ich Rhoda Gradwyn getötet hatte.
Damit kannte sie, die selbst immer ein Geheimnis bewahren musste, nun
das Geheimnis eines anderen Menschen. Ich spürte ihren Triumph, die
Genugtuung, die sie empfand. Sie hat mir erzählt, was sie am Steinkreis
vorhatte: ihr letzter Tribut an Mary Keyte, eine Zeremonie zu ihrem
Gedenken, ein Abschied. Aus welchem Grund hätte sie es auch vor mir
geheim halten sollen? Wir waren beide Mörderinnen, durch dieses
schreckliche, elementare Verbrechen miteinander verbunden. Doch nachdem
ich ihr die Leine um den Hals gelegt und sie mit Petroleum überschüttet
hatte, brachte ich es nicht über mich, das Streichholz anzuzünden. In
diesem Augenblick wurde mir klar, was aus mir geworden ist.
Über den Tod von Rhoda Gradwyn gibt es wenig zu sagen. Die
einfache Erklärung lautet, dass ich sie umgebracht habe, um den Tod von
Annabel Skelton, einer lieben Freundin, zu rächen, aber einfache
Erklärungen sagen nie die ganze Wahrheit. Ob ich in der Nacht damals in
der Absicht, sie zu töten, in ihr Zimmer gegangen bin? Immerhin hatte
ich alles in meiner Macht Stehende getan, um
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