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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Eric, und
den Mann, den er wie keinen anderen verehrte und bewunderte, George
Chandler-Powell.
    Sein Leben war ein Desaster. Ein Teil seines Wesens,
Zaghaftigkeit, Trägheit, Mangel an Selbstbewusstsein, hatte ihn in
dieses Verhaltensmuster gezwungen, sich nicht entscheiden zu können,
den Dingen ihren Lauf zu lassen, als hätte er blindes Vertrauen in eine
wohlwollende Vorsehung, die alles zu seinen Gunsten regelte, wenn man
sie nur gewähren ließ. Wie viel von den drei Jahren hier im Manor waren
der Loyalität und Dankbarkeit gegenüber einem Mann auf dem Zenit seiner
Schaffenskraft geschuldet, von dem er viel hatte lernen können und den
er nicht im Stich lassen wollte? Das alles mochte eine Rolle gespielt
haben, aber eigentlich war er geblieben, weil es einfacher gewesen war,
als sich auf den Weg zu machen. Jetzt sah er den Tatsachen ins Auge. Er
würde ausbrechen, und das nicht nur physisch. In Afrika konnte er etwas
bewirken, gründlicher und dauerhafter, als es hier im Manor je möglich
wäre. Er musste endlich etwas ändern, und wenn es eine Flucht war, dann
war es eine Flucht zu Menschen, die seine Fähigkeiten dringend
benötigten, großäugigen Kindern mit hässlichen, unbehandelten
Hasenscharten, Leprakranken, die Zuwendung finden und wiederhergestellt
werden mussten, den Vernarbten, Entstellten und Ausgestoßenen. Er
musste schwerere Luft atmen. Wenn er jetzt nicht mit Chandler-Powell
redete, würde er nie mehr den Mut dazu aufbringen.
    Er erhob sich mit steifen Beinen und schlurfte wie ein alter
Mann zur Tür, blieb einen Moment lang stehen, um dann energischen
Schritts auf das Manor zuzugehen wie ein Soldat, der in die Schlacht
zieht.

10
    M arcus fand George Chandler-Powell im
Operationssaal. Sein Chef war allein und damit beschäftigt, eine
Lieferung neuer Instrumente durchzuzählen, jedes einzelne eingehend zu
begutachten, es in die Hand zu nehmen und zu drehen und zu wenden,
bevor er es mit einer Art Ehrfurcht zurück auf das Tablett legte.
Eigentlich war das die Arbeit des OP-Assistenten, Joe Maskell, der
morgen früh um sieben erwartet wurde, damit er die erste Operation des
Tages vorbereitete. Marcus wusste, dass es nicht mangelndes Vertrauen
zu Joe war, das ihn die Instrumente selber prüfen ließ – er
würde niemanden einstellen, dem er nicht vertraute –, aber
hier war er zu Hause mit seinen zwei Passionen, seiner Arbeit und
seinem Haus, und jetzt war er der kleine Junge, der sich mit seinem
Lieblingsspielzeug beschäftigte.
    »Ich würde gerne etwas mit Ihnen besprechen, wenn Sie Zeit
haben«, sagte Marcus.
    Selbst für seine eigenen Ohren klang seine Stimme unnatürlich,
seltsam überdreht. Chandler-Powell schaute nicht hoch. »Das kommt
darauf an, was Sie mit etwas meinen. Irgendetwas oder etwas
Ernsthaftes.«
    »Eher etwas Ernsthaftes.«
    »Dann mache ich hier fertig, und wir gehen hinüber ins Büro.«
    Für Marcus hatte der Vorschlag etwas Einschüchterndes. Er
erinnerte ihn zu sehr an Vorladungen seines Vaters in sein
Arbeitszimmer, als er noch ein Junge war. Er wollte jetzt sofort reden,
es hinter sich bringen. Aber er wartete, bis die letzte Schublade
geschlossen war und George Chandler-Powell vorausging, zur Tür hinaus
in den Garten, durch das Hinterhaus, den Flur entlang ins Büro. Lettie
Frensham saß vor dem Computer, aber als sie eintraten, murmelte sie
eine Entschuldigung und schlich hinaus. Chandler-Powell nahm hinter dem
Schreibtisch Platz, bot Marcus einen Stuhl an und wartete. Marcus
versuchte sich davon zu überzeugen, dass sein Schweigen keine mühsam
kontrollierte Ungeduld war.
    Da nicht damit zu rechnen war, dass George das Wort ergreifen
würde, sagte Marcus: »Ich bin zu einer Entscheidung wegen Afrika
gekommen. Ich wollte Ihnen mitteilen, dass ich beschlossen habe, mich
Mr. Greenfields Team anzuschließen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie
mich in drei Monaten entlassen könnten.«
    »Ich vermute, Sie waren in London und haben mit Mr. Greenfield
gesprochen«, antwortete Chandler-Powell. »Sicher hat er Sie auf
mögliche Probleme hingewiesen, nicht zuletzt, was Ihre weitere Laufbahn
betrifft.«
    »Ja, das hat er.«
    »Matthew Greenfield ist einer der besten plastischen Chirurgen
in Europa, wahrscheinlich der Welt. Und er ist ein hervorragender
Lehrer. Seine Qualifikationen sprechen für sich. Er geht nach Afrika,
um dort zu lehren und ein erstklassiges Zentrum aufzubauen. Und genau
das wollen die Afrikaner, sie wollen lernen, selber mit ihren

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