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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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rechten
Hand, die wahrscheinlich in einem glatten Handschuh steckte. Man
erkennt die Quetschung von den Fingern einer rechten Hand, aber keine
Kratzer von Fingernägeln. Wenn ich sie auf dem Tisch liegen habe, weiß
ich mehr.« Sie wandte sich an Chandler-Powell: »Eine Frage, Sir. Hat
sie gestern Abend ein Beruhigungsmittel bekommen?«
    »Ich habe ihr Temazepam angeboten, aber sie hat gesagt, sie
braucht es nicht. Sie war gut aus der Narkose erwacht, hatte ein
leichtes Abendessen zu sich genommen und fühlte sich schläfrig. Sie
rechnete nicht mit Problemen beim Einschlafen. Als Letzte hat Schwester
Holland sie gesehen – außer ihrem Mörder,
natürlich –, und da hat sie noch um ein Glas Milch mit einem
Schuss Brandy gebeten. Schwester Holland hat gewartet, bis sie
ausgetrunken hatte, und das Glas wieder mitgenommen. Natürlich ist es
inzwischen abgespült worden.«
    Dr. Glenister sagte: »Ich denke, für das Labor wäre es
hilfreich, von Ihnen eine Liste aller Beruhigungsmittel zu bekommen,
die hier zur Verfügung stehen, und aller anderen Medikamente, zu denen
ein Patient Zugang gehabt haben könnte, oder die ihm verabreicht
wurden. Vielen Dank, Mr. Chandler-Powell.«
    »Ich würde mich gerne unter vier Augen mit Ihnen unterhalten,
in zehn Minuten vielleicht?«, sagte Dalgliesh. »Ich möchte mir ein Bild
von Ihrem Betrieb hier machen können, Zahl und Aufgaben des Personals,
und wie Miss Gradwyn zu Ihnen in Behandlung gekommen ist.«
    »Sie finden mich im Büro«, sagte Chandler-Powell. »Es liegt
hinter der Veranda, gegenüber vom Großen Saal. Ich suche Ihnen einen
Plan vom Manor heraus.«
    Sie warteten, bis sie ihn durch das Nebenzimmer gehen und die
Tür zum Flur zuklappen hörten. Jetzt nahm Dr. Glenister ein Paar
Chirurgenhandschuhe aus ihrer Gladstone-Tasche und tastete erst
vorsichtig das Gesicht, dann Hals und Arme der Toten ab. Die
forensische Pathologin war früher eine ausgezeichnete Lehrerin gewesen,
und Dalgliesh wusste aus eigener Erfahrung, dass sie nur selten einer
Gelegenheit widerstehen konnte, Jüngeren auf den Zahn zu fühlen.
    Daher sagte sie zu Benton: »Sicher wissen Sie alles über den
Rigor Mortis, Sergeant.«
    »Nein, Ma'am, nicht alles. Ich weiß, dass er in den
Augenlidern beginnt, etwa drei Stunden nach Eintritt des Todes, und
sich dann über das Gesicht, den Hals, den Brustkorb, später über den
ganzen Oberkörper und die unteren Extremitäten ausbreitet. In der Regel
ist nach etwa zwölf Stunden der ganze Körper steif, und nach ungefähr
sechsunddreißig Stunden beginnt der Prozess sich langsam wieder
umzukehren.«
    »Und halten Sie den Rigor Mortis für einen verlässlichen
Indikator des Todeszeitpunkts?«
    »Nein, Ma'am, nicht absolut verlässlich.«
    »Absolut nicht verlässlich. Er kann durch die Raumtemperatur,
den Zustand der Muskulatur, die Todesursache und ein paar andere
Bedingungen beeinflusst werden, die einen Rigor Mortis simulieren, und
dabei etwas ganz anderes sind, wenn der Körper zum Beispiel großer
Hitze ausgesetzt ist oder es zu einem Leichenkrampf kommt. Wissen Sie,
was das ist, Sergeant?«
    »Ja, Ma'am. Der kann im Augenblick des Todes auftreten. Die
Muskeln der Hand werden so starr, dass man dem Toten Dinge, die er
festgehalten hat, nur schwer entwinden kann.«
    »Die Bestimmung des genauen Todeszeitpunkts ist eine der
wichtigsten Aufgaben des medizinischen Experten, und eine der
schwierigsten. Eine neue Methode ist die Bestimmung der Kaliummenge in
der Augenflüssigkeit. Und in diesem Fall werde ich klüger sein, wenn
ich die Rektaltemperatur gemessen und die Obduktion durchgeführt habe.
Bis dahin kann ich nur vorläufige Aussagen machen, beruhend auf der
Hypostase – ich nehme an, Sie wissen, was das ist.«
    »Ja, Ma'am. Die Leichenblässe.«
    »Die wir hier wahrscheinlich auf ihrem Höhepunkt erleben. In
Anbetracht dieser Tatsache und der Entwicklung des Rigor Mortis, wäre
meine vorläufige Vermutung, dass der Tod zwischen elf Uhr und null Uhr
dreißig eingetreten sein dürfte, wahrscheinlich näher am früheren
Zeitpunkt. Es beruhigt mich, Sergeant, dass Sie keiner von den
Polizeibeamten zu werden versprechen, die vom forensischen Pathologen
Minuten nach dem ersten Blick auf die Leiche eine exakte Schätzung
erwarten.«
    Damit war Benton entlassen. Im selben Augenblick klingelte das
Telefon am Bett. Das Klingeln war durchdringend und unerwartet, ein
beharrliches Schnarren, das ihnen wie eine makabre Störung der
Privatsphäre der Toten

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