Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
Vom Netzwerk:
ganz
ausschalten. Die besten Pathologen und Polizeibeamten verloren, wenn
sie dort standen, wo er jetzt stand, nie ganz den Respekt vor dem Tod,
ein Respekt, der aus Gefühlen der Zusammengehörigkeit geboren ist, so
vorübergehend sie sein mögen, dem unausgesprochenen Wissen um das allen
gemeinsame Menschsein, das allen gemeinsame Ende. Aber mit dem letzten
Atemzug erlosch alles Menschsein, alle Persönlichkeit. Der Körper,
bereits dem unerbittlichen Prozess der Verwesung anheim gegeben, war zu
einem Exponat degradiert, einem Gegenstand professioneller
Aufmerksamkeit, Objekt von Emotionen, die er nicht mehr teilen, die ihn
nicht mehr beunruhigen konnten. Jetzt fand körperliche Kommunikation
nur noch mit behandschuhten, tastenden Händen, Sonden, Thermometern,
Skalpellen statt, zum Einsatz gebracht an einem Körper, der offen dalag
wie der Kadaver eines Tieres. Dies war nicht die schrecklichste Leiche,
die er seit Jahren gesehen hatte, aber in diesem Moment schienen sich
in ihr alles Mitleid, aller Zorn, alle Machtlosigkeit einer ganzen
Berufslaufbahn zu sammeln. Vielleicht habe ich die Nase voll
von Morden, dachte er.
    Sie lag in einem Raum, der, wie das Wohnzimmer, durch das sie
gekommen waren, bei allem Komfort zu sorgfältig eingerichtet war, eine
organisierte Perfektion ausstrahlte, die er als abweisend und
unpersönlich erlebte. Die Gegenstände, die er auf dem Weg durch das
Wohnzimmer gesehen hatte, gruppierten sich vor seinem geistigen Auge:
das georgianische Schreibpult, die beiden modernen Sessel vor einem mit
elektrischer Heizröhre ausgestatteten Kamin, der Bücherschrank aus
Mahagoni, die Kommode, alles war akkurat in Szene gesetzt. Und trotzdem
hätte er sich in diesen Zimmern nicht wohl fühlen können. Sie
erinnerten ihn an ein Hotel im Landhausstil, in dem er
einmal – und nur dieses eine Mal – abgestiegen war,
und wo man auf subtile Weise versucht hatte, den geneppten Gästen das
Gefühl zu geben, ihr Geschmack reiche an den der Hotelbesitzer nicht
heran. Nicht der geringste Makel wurde toleriert. Wer mochte diese
Räume wohl so eingerichtet haben? Vermutlich Miss Cressett. Vielleicht
wollte sie den Gästen deutlich machen, dass dieser Teil des Manor nur
für kurze Aufenthalte gedacht war. Sie waren hier, um sich beeindrucken
zu lassen, nicht um auch nur vorübergehend Besitz von diesen
Räumlichkeiten zu ergreifen. Möglich, dass Rhoda Gradwyn das anders
erlebt, sich hier vielleicht sogar wohl gefühlt hatte. Aber für sie
waren die Räume auch noch nicht vom giftigen Geruch einer Bluttat
verseucht gewesen.
    An Chandler-Powell gewandt sagte Dr. Glenister: »Ich nehme an,
Sie haben gestern Abend noch nach ihr gesehen.«
    »Selbstverständlich.«
    »Und heute Morgen haben Sie sie so vorgefunden?«
    »Ja. Als ich ihren Hals gesehen habe, habe ich sofort gewusst,
dass nichts mehr zu machen war und sie keines natürlichen Todes
gestorben ist. Für diese Diagnose benötigt man sicher nicht das Urteil
eines forensischen Pathologen. Sie ist erwürgt worden. Was Sie jetzt
sehen, habe ich heute Morgen gesehen, als ich an ihr Bett trat.«
    »Waren Sie allein?«, fragte Dalgliesh.
    »An ihrem Bett war ich allein. Schwester Holland hat sich
nebenan im Wohnzimmer um Kimberley Bostock gekümmert, die Küchenhilfe,
die ihr den Morgentee heraufgebracht hatte. Nachdem sie die Tote
gefunden hatte, hat die Oberschwester den roten Alarmknopf im
Wohnzimmer mehrmals gedrückt, deshalb wusste ich, dass es ein Notfall
war. Wie Sie sehen, war der Knopf außer Reichweite des Betts
aufgehängt. Oberschwester Holland war so klug, ihn nicht anzurühren.
Sie hat mir versichert, dass er auf dem Nachttisch lag, wie immer, als
sie die Patientin für die Nacht fertig gemacht hat. Ich dachte, die
Patientin hätte vielleicht Angstzustände oder sei krank geworden, und
als ich die Schwester hier oben antraf, glaubte ich zuerst, sie hätte
auch auf den Ruf reagiert. Wir haben beide Türen geschlossen, und ich
habe Kimberley hinunter in ihre Wohnung getragen. Dann habe ich ihren
Mann gerufen, damit er bei ihr blieb, und unverzüglich das örtliche
Polizeirevier verständigt. Von Chief Inspector Whetstone kam der
Auftrag, die Zimmer zu versiegeln, später hat er dann die Aufsicht
übernommen, bis Sie eintrafen. Ich selber hatte bereits dafür gesorgt,
dass der Patientenflur und der Fahrstuhl abgesperrt waren.«
    Dr. Glenister stand über die Tote gebeugt, ohne sie zu
berühren. Sie richtete sich auf und sagte: »Erwürgt, mit der

Weitere Kostenlose Bücher