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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Obduktion geben«, sagte Dalgliesh.
»Und dann muss man sehen, ob der Gerichtsmediziner die Leiche freigibt.
Haben Sie keine Freunde, die Ihnen mit Rat zur Seite stehen können?«
    »Doch, ich habe Freunde in der Kirche. Ich werde mit unserem
Vikar reden, vielleicht kann er mir helfen. Vielleicht können wir den
Trauergottesdienst hier unten machen, aber in London war sie natürlich
bekannter. Und sie war auch nicht sehr religiös, gut möglich, dass sie
einen Gottesdienst abgelehnt hätte. Ich hoffe bloß, dass ich nicht in
diese Klinik kommen muss, wo immer die ist.«
    »Sie ist in Dorset, Mrs. Brown. In Stoke Cheverell.«
    »Ja, aber ich kann Mr. Brown hier nicht einfach alleine lassen
und nach Dorset reisen.«
    »Dazu besteht absolut keine Notwendigkeit, es sei denn, Sie
wünschen ausdrücklich, bei der Untersuchung der Todesursache dabei zu
sein. Warum beraten Sie sich nicht mit Ihrem Rechtsanwalt? Vermutlich
wird der Anwalt Ihrer Tochter Kontakt mit Ihnen aufnehmen. Seinen Namen
haben wir im Adressbuch in ihrer Handtasche gefunden. Er wird Ihnen
sicher behilflich sein. Ich fürchte, ich werde das Eigentum Ihrer
Tochter hier und in ihrem Londoner Haus in Augenschein nehmen müssen.
Vielleicht muss ich den einen oder anderen Gegenstand für die
Untersuchung mitnehmen, aber die Sachen werden sorgsam behandelt und
später zurückgegeben. Habe ich Ihr Einverständnis dazu?«
    »Nehmen Sie, was Sie wollen. In ihrem Londoner Haus bin ich
nie gewesen. Aber jetzt wird sich das wohl nicht länger vermeiden
lassen. Vielleicht sind ja Dinge von Wert dabei, und Bücher natürlich.
Sie hat immer viele Bücher gehabt. Das viele Lesen. Immer hatte sie die
Nase in einem Buch stecken. Und was hat sie jetzt davon. Die Bücher
bringen sie auch nicht zurück. Hatte sie die Operation schon hinter
sich?«
    »Ja, gestern, und soviel ich gehört habe, war sie erfolgreich.«
    »Das viele Geld, und alles für die Katz. Arme Rhoda. Viel
Glück hat sie nicht gehabt bei ihrem ganzen Erfolg.«
    Ihre Stimme hatte sich verändert, Dalgliesh vermutete, dass
sie gegen Tränen ankämpfte. »Ich lege jetzt auf«, sagte sie. »Vielen
Dank für den Anruf, aber mir wird das jetzt zu viel. Wie entsetzlich
das ist, Rhoda ermordet. So etwas liest man vielleicht in der Zeitung
oder sieht es im Fernsehen, aber wer rechnet damit, dass es jemandem
passiert, den man kennt? Und sie hatte noch so viel vor sich, ohne die
Narbe. Das ist doch nicht gerecht.«
    Jemandem, den man kennt, nicht jemandem, den man
liebt, dachte Dalgliesh. Er hörte sie weinen, dann war die
Verbindung unterbrochen.
    Er hielt einen Moment inne, blickte nachdenklich auf sein
Handy, bevor er Miss Gradwyns Anwalt anrief. Trauer, ein universelles
Gefühl ohne universellen Ausdruck, äußerte sich auf die verschiedenste,
manchmal auf bizarre Weise. Er dachte an den Tod seiner Mutter, wie er
damals, um angesichts der Verzweiflung seines Vaters Haltung zu
bewahren, seine Tränen unterdrückt hatte, sogar noch beim Begräbnis.
Aber die Trauer war im Lauf der Jahre immer wieder zurückgekehrt, in
kurz erinnerten Szenen, Gesprächsfetzen, Bildern, ihre anscheinend
unzerstörbaren Gartenhandschuhe und, noch lebhafter als all der latente
Schmerz, der immer wiederkehrte, ihr Anblick aus dem Fenster des
langsam anfahrenden Zuges, der ihn zurück ins Internat bringen sollte,
ihre sich entfernende Gestalt in dem Jahr für Jahr immer wieder
getragenen Mantel, die sich nicht noch einmal umdrehte und ihm nicht
nachwinkte, weil er es ihr verboten hatte.
    Er schüttelte die Vergangenheit ab und tippte die Nummer in
die Tastatur. Ein Anrufbeantworter teilte ihm mit, dass das Büro bis
Montag geschlossen war und man in dringenden Fällen den Anwalt vom
Dienst anrufen möge, der unter folgender Nummer zu erreichen sei. Unter
dieser Nummer meldete sich sofort eine kühle, unpersönliche Stimme, und
nachdem Dalgliesh sich vorgestellt und erklärt hatte, dass er dringend
Mr. Newton Macklefield sprechen müsse, bekam er dessen Privatnummer
mitgeteilt. Dalgliesh musste keine weitere Erklärung liefern,
offensichtlich hatte seine Stimme den nötigen Nachdruck vermittelt.
    Newton Macklefield hielt sich – nicht verwunderlich
an einem Samstag – mit seiner Familie außerhalb Londons in
seinem Landhaus in Sussex auf. Ihr Gespräch war geschäftsmäßig,
unterbrochen von Kinderstimmen und bellenden Hunden. Nachdem er seiner
Erschütterung und persönlichen Betroffenheit, eher förmlich als von
Herzen kommend,

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