Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
spazierengeht. Ich dachte, wenn
ich den Riegel vorschiebe, ist er vielleicht noch draußen und kann
nicht rein.«
Schwester Holland sagte: »Ein Gartenspaziergang im Dezember?
Halten Sie das für wahrscheinlich, Dean?«
Er schaute nicht sie, sondern Dalgliesh an, als er sich
rechtfertigte: »Es ist nicht meine Aufgabe, die Tür zu verriegeln, Sir.
Außerdem war sie zugeschlossen. Ohne Schlüssel kommt niemand herein.«
Dalgliesh wandte sich an Chandler-Powell. »Und Sie wissen
genau, dass Sie die Tür um elf verriegelt haben?«
»Ich habe sie wie jeden Tag um elf verriegelt, und heute
Morgen um halb sieben war sie auch verriegelt.«
»Hat irgendjemand von Ihnen aus irgendeinem Grund heute Nacht
den Riegel aufgeschoben? Ich nehme an, jeder weiß, wie wichtig das ist.
Wir müssen das jetzt klären.«
Niemand meldete sich. Das Schweigen zog sich in die Länge.
»Ist sonst noch jemandem aufgefallen, ob die Tür nach elf verriegelt
oder nicht verriegelt war?«, fragte Dalgliesh.
Wieder Schweigen, diesmal von gemurmelten Verneinungen
unterbrochen. Benton fiel auf, dass keiner den anderen anschaute.
»Dann ist das für den Augenblick alles«, sagte Dalgliesh. »Ich
bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich würde gerne noch mit jedem
von Ihnen allein reden, entweder hier oder in der Alten Wache.«
Dalgliesh erhob sich, und nach und nach standen auch die
anderen leise auf. Immer noch sprach keiner ein Wort. Als sie die
Eingangshalle durchquerten, schloss Chandler-Powell zu ihnen auf. Er
sagte zu Dalgliesh: »Ich würde gerne kurz mit Ihnen sprechen, wenn Ihre
Zeit es erlaubt.«
Dalgliesh und Kate folgten ihm in sein Büro und ließen die Tür
hinter sich ins Schloss fallen. Es kränkte Benton nicht, außen vor
bleiben zu müssen, denn er wusste, dass es bei jeder Untersuchung
Situationen gab, in denen zwei Beamte jemandem Informationen entlocken
konnten, während drei genau das Gegenteil bewirken würden.
Chandler-Powell verlor keine Zeit. Sie hatten sich noch nicht
einmal gesetzt, als er sagte: »Da gibt es etwas, das ich Ihnen sagen
muss. Ihnen dürfte Kimberleys Beklemmung nicht entgangen sein, als sie
gefragt wurde, warum sie Flavia Holland nicht geweckt hat. Ich halte es
für wahrscheinlich, dass sie es versucht hat. Die Tür zur Suite war
nicht verschlossen, und wenn sie oder Dean sie geöffnet haben, dürften
sie Stimmen gehört haben, meine und Flavias. Ich war um Mitternacht mit
ihr zusammen. Ich denke, die Bostocks könnten Hemmungen gehabt haben,
Ihnen das zu erzählen, vor allem in Gegenwart aller anderen.«
Kate sagte: »Aber hätten Sie es nicht gehört, wenn jemand die
Tür geöffnet hätte?«
Er sah sie ruhig an. »Nicht unbedingt. Es war ein erregtes
Gespräch.«
Dalgliesh sagte: »Ich werde das mit den Bostocks später
klären. Wie lange waren Sie dort zusammen?«
»Nachdem ich die Alarmanlage eingestellt und die Gartentür
verriegelt habe, bin ich zu Flavia in ihr Wohnzimmer gegangen. Ich war
bis gegen ein Uhr dort. Es gab wichtige Dinge zu besprechen,
Berufliches und Privates. Nichts davon hat irgendetwas mit Rhoda
Gradwyns Tod zu tun. Während der Zeit hat keiner von uns etwas von dem
Unheil gehört oder gesehen.«
»Und den Lift haben Sie auch nicht gehört?«
»Nein, den haben wir nicht gehört. Aber damit ist auch nicht
zu rechnen. Sie haben ja gesehen, wo er ist, bei der Treppe gegenüber
der Wohnung der Oberschwester, aber es ist ein moderner Lift, und er
funktioniert vergleichsweise geräuschlos. Schwester Holland wird meine
Ausführungen natürlich bestätigen, und zweifellos kann jemand, der sich
darauf versteht, Informationen aus Schwachen herausholen, Kimberley zu
dem Eingeständnis bewegen, dass sie unsere Stimmen gehört hat,
besonders wenn sie weiß, dass ich mit Ihnen gesprochen habe. Und
rechnen Sie es mir nicht zu hoch an, dass ich Ihnen erzählt habe, was
hoffentlich von Ihnen vertraulich behandelt wird. Ich müsste schon sehr
naiv sein, um nicht zu wissen, dass Flavia und ich uns mit der
Geschichte gegenseitig ein Alibi verschaffen, da Rhoda Gradwyn offenbar
um Mitternacht herum gestorben ist. Ich rede lieber offen mit Ihnen.
Ich will keinesfalls anders behandelt werden als die anderen. Aber
Ärzte pflegen in der Regel nicht ihre Patienten zu ermorden, und wenn
ich die Absicht hätte, diesen Ort und meine Reputation zu zerstören,
hätte ich das besser vor der Operation getan. Denn ich hasse es, wenn
meine Arbeit vergeudet ist.«
Als er Chandler-Powells Gesicht sah,
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