Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
Fighting hoch fünfzig.«
»Du bluffst doch nur!« Quinn dreht sich weg vom Wasser und lächelt wie jemand, dem es nichts ausmacht, Zielscheibe eines guten Witzes zu sein. »Cage ist Anwalt. Er wird sich auf so was niemals einlassen.«
»Weißt du noch, was ich dir vor Sands’ Haus gesagt habe?«, frage ich.
Quinn nickt. »Klar. Wir sind hier nicht in Nordirland. Und damit hattest du recht.«
»›Lass meine Familie in Ruhe.‹ Auch das habe ich dir gesagt. Und Caitlin gehört zu meiner Familie. Und wir sind hier in Mississippi. Erinnerst du dich an meine Warnung?«
»Cage, hör mal …«
»›Hier können wir auch zuschlagen‹, habe ich gesagt. Aber du hast mir nicht geglaubt. Und nun willst du mir etwas über das Gesetz erzählen?«
Kelly bemerkt den stählernen Klang meiner Stimme und schiebt den Gashebel vor. Langsam bewegen wir uns durch die schmale Rinne. Caitlin lässt das Licht über den Bug scheinen, um Kelly zu helfen, und Quinn blickt an dem Strahl entlang, als würde er von den starren Augen um uns herum hypnotisiert. Nach ein paar Minuten geht die Rinne in einen breiten Teich über. Das alte Angellager befindet sich irgendwo zwischen den Bäumen zu unserer Linken, doch ich kann es nicht sehen. Die Gegend ist heutzutage völlig verlassen. Man hat hier nichts gebaut, denn das Wasser ist zu seicht und gefährlich.
Mit scheinbar unendlicher Geduld wendet Kelly und hält wieder auf die Rinne zu.
Quinns von Natur aus bleiche Haut wirkt im Mondlicht so weiß wie die eines Filmvampirs. Die Furcht hat das Blut aus seinem Gesicht weichen lassen. Dieser Mann hat Menschen an Hunde verfüttert. Er könnte sich sogar ausgemalt haben, wie es wäre, eines solchen Todes zu sterben. Aber er hat nie das Schicksal erwogen, das Kelly ihm offenbar zugedacht hat. Kelly hat sich zum Werkzeug des Karmas ernannt, an das er glaubt, und für ihn ist die Furcht, die Quinn erfüllt, genauso wichtig wie sein Tod.
»Viele Männer prahlen mit der Beißkraft von Pitbulls«, sagt Kelly beiläufig. »Aber ich werde dir etwas sagen: Ein Alligator kann ein Stück aus einer Stoßstange herausbeißen.«
»Alligatoren greifen normalerweise keine Menschen an«, rufe ich mir laut in Erinnerung. »Es geschieht meistens aus Versehen, oder wenn sich einer bedroht fühlt.«
»Dies ist eine einzigartige Situation«, betont Kelly genussvoll. »Eine Menge Alligatoren sind heute Nacht da draußen. Fürsorgliche Weibchen. Männchen, die ihr Territorium verteidigen.« Er schaut sich zu Quinn um. »Sie brauchen dich nicht zu sehen, Mann. Sie riechen dich. Ach, da fällt mir ein …«
Er bedeutet mir, das Steuer zu übernehmen, hebt ein Sitzpolster hoch und öffnet den Deckel einer Kühlbox. Sofort erfüllt Fäulnisgestank das Boot.
»Das ist ja fürchterlich.« Caitlin hält sich die Nase. »Was ist das?«
»Ich bin mir nicht sicher. Hab’s aus einer Mülltonne hinter dem mexikanischen Restaurant geholt.«
Kelly greift an mir vorbei, legt den Leerlauf ein und zieht sich einen Gärtnerhandschuh an, bevor er in die Kühlbox fasst. Ich kneife mir die Nasenlöcher zu, während er irgendetwas Schweres zwischen die Bäume schleudert. Das Platschen lässt die Frösche verstummen, doch bald setzen sie ihren misstönenden Chor fort.
Niemand spricht. Irgendetwas Primitives hält uns in seinem Bann. Plötzlich höre ich ein gewaltiges Zischen. Es klingt wie ein Soundeffekt in einem Horrorfilm. Wasser wird von einem schweren, gepanzerten Schwanz verdrängt. Ein urzeitliches Grunzen ertönt aus der Dunkelheit, gefolgt von einem erstickten Brüllen. Wieder zischt es. So oft, dass man es bald nicht mehr zählen kann.
»Fütterungszeit«, sagt Kelly. Er zieht ein Messer aus einem Futteral an seinem Knöchel. Quinn zuckt auf seinem Sitz zusammen, als Kelly sich vorbeugt und das Isolierband an seinen Beinen durchschneidet. Ein paar Sekunden später steht Quinn aufrecht auf seinem gesunden Fuß und streckt die Handgelenke aus, aber Kelly schüttelt den Kopf.
»Komm schon!«, bittet Quinn. »Mann, gib mir eine Chance. Irgendwas, womit ich mich zur Wehr setzen kann.«
Ich deute auf Quinns Füße. »Das hat er gerade getan.«
Caitlin richtet die Taschenlampe auf Quinn. »Du bekommst eine bessere Chance, als du sie Linda Church gegeben hast.«
»Das Wasser ist hier nur ein Meter zwanzig tief«, setze ich hinzu. »Nicht leicht, darin zu laufen, aber ich weiß, dass du dir größte Mühe geben wirst.«
»Das würde ich lieber sein lassen«, rät Kelly.
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